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Prof. Hellwig: Mit MS schwanger werden

Portrait Prof Hellwig

Prof Dr. Kerstin Hellwig

An einer Multiplen Sklerose erkranken überproportional häufig junge Frauen. Oft besteht bei ihnen noch ein Kinderwunsch. Was in puncto Schwangerschaft von Frauen, aber auch von Männern mit MS zu beachten ist, erläutert Prof. Dr. Kerstin Hellwig aus Bochum.

(Dieses Interview erschien in der MS persönlich, der MS-Begleiter Zeitschrift.)

Zur Person
Prof. Dr. Hellwig ist in der Neurologischen Klinik am St. Josef-Hospital, Universitätsklinikum der Ruhr- Universität Bochum tätig und hat dort unter anderem das „Deutschsprachige Multiple Sklerose- und Kinderwunsch-Register“ (DMSKW) etabliert.

MS PERSÖNLICH: Frau Professor Hellwig, was raten Sie Frauen mit MS und aktuellem Kinderwunsch?

PROF. HELLWIG: Wir raten jeder Frau mit aktuellem Kinderwunsch dazu, vorsorglich Folsäure einzunehmen. Das gilt auch für Frauen mit Multipler Sklerose, die darüber hinaus den Kinderwunsch mit ihrem behandelnden Neurologen besprechen sollten. Denn es ist speziell im Hinblick auf eine geplante Schwangerschaft besonders wichtig, mit einer adäquaten medikamentösen Behandlung für eine gute Krankheitskontrolle zu sorgen.

MS PERSÖNLICH: Wie verlaufen Schwangerschaften bei Frauen mit MS?

PROF. HELLWIG: Im Allgemeinen nimmt die Schubrate bei Frauen mit Multipler Sklerose im Verlauf einer Schwangerschaft kontinuierlich ab und das um bis zu 80 Prozent im letzten Schwangerschaftsdrittel. Die Schwangerschaften verlaufen aus gynäkologischer Sicht vergleichbar wie bei Frauen ohne MS und es gibt kein erhöhtes Risiko für Komplikationen. So ist nicht mit einer vermehrten Rate an Aborten und auch nicht mit einem gesteigerten Risiko für eine Frühgeburt zu rechnen. Die Geburt kann wie bei gesunden Frauen spontan erfolgen und man braucht außerdem nicht damit zu rechnen, dass die MS auf die Kinder vererbt werden könnte.

MS PERSÖNLICH: Wie geht es mit der Behandlung weiter, wenn eine Schwangerschaft eingetreten ist?

PROF. HELLWIG: Es ist mit dem Neurologen zu besprechen, ob die Medikation angepasst werden oder sogar ganz abgesetzt werden sollte. Tritt bei einer schwangeren Frau ein Krankheitsschub auf, kann bei einem leichteren Schub auf eine spezielle Behandlung verzichtet werden, bei einem schweren Krankheitsschub kann auch eine Kortison-Behandlung notwendig werden.

MS PERSÖNLICH: Was sollten Männer mit MS beachten?

PROF. HELLWIG: Männer können bei den meisten Medikamenten, die sie zur Therapie der MS einnehmen, problemlos ein Kind zeugen. Es gibt keine Hinweise darauf, dass die MS Behandlung mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung des Kindes verbunden ist.

„Die Multiple Sklerose ist keineswegs ein Grund, nicht schwanger zu werden.“

 

MS PERSÖNLICH: Ist die Fruchtbarkeit bei Mann und Frau durch die MS eingeschränkt?

PROF. HELLWIG: Zu dieser Frage haben wir bislang erst wenige Daten. Demnach ist nicht davon auszugehen, dass die Fruchtbarkeit relevant eingeschränkt ist. Das gilt augenscheinlich für Männer wie Frauen gleichermaßen.

MS PERSÖNLICH: Was ist zu bedenken, wenn das Kind geboren ist?

PROF. HELLWIG: So wie die Schubrate während der Schwangerschaft abnimmt, ist nach der Geburt mit einem Wiederanstieg zu rechnen. Deshalb ist auch in dieser Phase eine gute Betreuung durch einen Neurologen wichtig.

„Wichtig ist eine gute Betreuung durch den Gynäkologen und auch durch den Neurologen.“

 

MS PERSÖNLICH: Sollten die Frauen stillen?

PROF. HELLWIG: Ja, dazu raten wir explizit, da das Schubrisiko nach der Geburt offensichtlich deutlich geringer ist, wenn die Frauen ihr Kind ausschließlich stillen. Ist das Stillen nicht möglich oder nicht gewünscht, sollte nach der Geburt des Kindes rasch die MS Behandlung wieder aufgenommen werden.

MS PERSÖNLICH: Frau Professor Hellwig, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.

Apropos

DEUTSCHSPRACHIGES MULTIPLE SKLEROSE- UND KINDERWUNSCH-REGISTER

Um mehr Erfahrung bei der Betreuung von Frauen mit Kinderwunsch wie auch hinsichtlich einer Schwangerschaft zu sammeln, wurde das deutschsprachige Multiple Sklerose- und Kinderwunsch- Register (DMSKW) eingerichtet, das seit 2006 besteht.

Bei dem Projekt werden die Daten von Schwangerschaften sowie Kinderwunschbehandlungen von Frauen mit MS gesammelt. So sollen weitere Informationen gewonnen werden, um noch offene Fragen zum Thema Kinderwunsch und MS besser beantworten zu können. In einem neuen Teilbereich des Projekts sollen außerdem Kleinkinder im Alter zwischen eineinhalb und sechs Jahren von Müttern oder Vätern mit MS im Hinblick auf ihre Entwicklung beobachtet werden. Schwangere sind daher aufgerufen, sich beim Register zu melden. Das ist am einfachsten möglich über eine E-Mail an: k.hellwig@klinikum-bochum.de

Unabhängig von der Teilnahme am Register können sich Schwangere sowie Frauen, die planen schwanger zu werden, und ebenso Frauen mit MS und einem unerfüllten Kinderwunsch beraten lassen und dazu auch einen Termin in der speziellen „MS und Kinderwunschsprechstunde“ (Tel: 0234 / 509 24 20) vereinbaren.

Mehr Informationen unter: www.ms-und-kinderwunsch.de