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MS-Symptome im Detail: Bewegungsstörungen

Zu den häufigsten Symptomen der Multiplen Sklerose gehören Bewegungsstörungen und eingeschränkte Beweglichkeit. Dagegen kannst Du aktiv etwas tun. Gezielte Mobilitätsübungen und die für Dich richtige Therapie können das Fortschreiten von Bewegungseinschränkungen bremsen und Dir helfen, mobil zu bleiben.

Multiple Sklerose (MS) ist eine entzündliche Erkrankung des Zentralen Nervensystems, die das Gehirn und das Rückenmark betrifft. Zu den ersten Symptomen gehören meist motorische Störungen. Das können Unsicherheiten und Störungen beim Greifen, Gehen und Stehen sein, aber auch Lähmungen sind möglich.1

Bewegungsstörungen

Oft scheint zusätzlich zu schwankenden und unkoordinierten Bewegungen auch die Muskelkraft zu schwinden. Es kann zum Beispiel schwieriger werden, die Füße zu heben, wodurch es zu verschiedenen Gangstörungen kommen kann. Dieses Symptom nennt man auch Fußheberschwäche. Dabei kann der Fuß nicht mehr natürlich abrollen.

Zudem kann es in Körperteilen oder dem ganzen Körper zu einem rhythmischen Zittern kommen, dem sogenannten Tremor2, und zu Muskelzuckungen in Armen und Beinen.3

Funktioniert das Zusammenspiel der Muskeln in Händen, Armen oder Beinen schlecht, sprechen Mediziner*innen von Ataxie. Dann sind feinmotorische, zielgerichtete Bewegungen schwierig wie zum Beispiel nach einem Glas zu greifen, Zähne zu putzen, sich anzuziehen oder am Arbeitsplatz einfache Tätigkeiten auszuführen. Sind beide Beine von Ataxie betroffen, gehen Betroffene oft breitbeinig und unsicher. Außerdem stolpern und stürzen sie leichter.2

Wie stark Ataxie und Tremor ausgeprägt sind, hängt auch von Deiner körperlichen und seelischen Verfassung ab. Wenn Du Schmerzen, Stress oder Angst hast, erschöpft oder aufgeregt bist oder Dich beobachtet fühlst, können sich die Symptome sogar verstärken.2

Nicht selten werden Ataxie und Tremor als Trunkenheit missdeutet. Deshalb ist es wichtig, über diese Symptome der MS besser aufzuklären, um einer Stigmatisierung entgegenzuwirken.

Eingeschränkte Beweglichkeit

Im weiteren Verlauf der MS kann es sein, dass Lähmungserscheinungen mit einem Gefühl der Steifigkeit und einer Anspannung in den Muskeln einhergehen. Das betrifft vor allem die Beine, die sich dann manchmal wie Blei anfühlen. Diese Muskelsteifheit, die auch schmerzhaft sein kann, heißt Spastik.4

Gut zu wissen: MS hat nichts mit Muskelschwund zu tun

Ein hartnäckiges Vorurteil über Multiple Sklerose ist, dass MS für Muskelschwund steht und zwangsläufig in den Rollstuhl führt. Aber auch wenn die Muskeln nicht immer richtig funktionieren, heißt MS nicht Muskelschwund. In erster Linie sind die Nerven betroffen, die die Muskeln steuern. Werden die Muskeln über längere Zeit wenig benutzt, können sie sich zwar zurückbilden, dem kannst Du aber durch richtiges Training und mit einer guten Therapie entgegenwirken. Heutzutage können Betroffene zumeist ein weitgehend normales Leben ohne Rollstuhl führen.

Wie entstehen bewusste Bewegungen?5

Bewusste Bewegungen – wie Gehen, Schwimmen oder das Greifen nach einem Glas – beginnen im Gehirn. Zuerst entsteht in der sogenannten prämotorischen Rinde ein Bewegungsplan. Dieser wird in Sekundenbruchteilen durch verschiedene Hirnzentren koordiniert. Der Startschuss für die Signale an die Muskeln fällt dann je nach Körperteil in verschiedenen Bereichen der motorischen Rinde im Großhirn. Von dort gelangen die Signale über Nervenfasern zu den Muskeln und bewirken, dass diese sich koordiniert zusammenziehen und entspannen. Ob die ausgeführte Bewegung dem Bewegungsplan entspricht, überwacht das Kleinhirn. Auch
das Großhirn nutzt Rückmeldungen aus den Muskeln und dem Körper, um Bewegungen zu koordinieren.

Wie entstehen Bewegungsstörungen und eingeschränkte Beweglichkeit?

MS ist eine Autoimmunerkrankung. Eine Fehlsteuerung des Immunsystems bewirkt, dass es gegen die Myelinschicht, die die Nervenfasern umgibt, vorgeht, sie zerstört und darüber hinaus auch die Nervenfasern und Nervenzellen selbst angreift.1 Durch diese defekte Steuerung der Muskeln entstehen Bewegungsstörungen und Spastiken. Wie genau die Schädigungen an der Myelinschicht und den Nervenfasern für die Symptome verantwortlich sind, wird noch erforscht.

Mehr über die medizinischen Zusammenhänge der MS kannst Du im Artikel „Multiple Sklerose – was ist das?“ nachlesen. Dort erklärt die Neurologin Dr. Elvira Steidl die Grundlagen der MS klar und verständlich in einem MediTalk.

Wie oft treten Bewegungsstörungen und Spastiken auf?

Bei einer 2018 durchgeführten Umfrage der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) hat die Hälfte der befragten Menschen mit MS angegeben, dass sie beim Gehen eingeschränkt seien. Ein Drittel hatte auch Spastiken. Ataxie betrifft laut dem MS-Register etwa jeden zweiten Menschen mit MS.2

Wie kannst Du Deine Beweglichkeit erhalten?

Mobil und beweglich zu bleiben kann zu Deiner Lebensqualität beitragen. Neben einer medikamentösen Behandlung der MS kann es helfen, mit speziellen Übungen aktiv zu bleiben. Auf unserer Seite haben wir verschiedene Möglichkeiten dafür vorgestellt:

  •  Eventuell kommen für Dich physio- oder ergotherapeutische Behandlungen in Frage. Mehr zu diesen beiden Therapiemaßnahmen kannst Du im Artikel „Physiotherapie oder Ergotherapie: Was brauche ich eigentlich?“ nachlesen.
  •  Auch können Dir Deine Angehörigen helfen, mobil zu bleiben. Hast Du zum Beispiel zeitweise oder auch langanhaltend auftretende Gehschwierigkeiten, kannst Du gezielt trainieren, sicher auf unebenem Untergrund zu stehen und auch zu gehen. Einige Übungen findest Du im Artikel „Mit Angehörigen sicheres Gehen trainieren“.
  •  Wenn Alltagsbewegungen – wie eine Flasche zu greifen – nicht mehr gut klappen, können Dir die Übungen aus dem Artikel „So werden Angehörige zum Physiotherapeuten“ vielleicht helfen.
  •  Zudem findest Du auf unserem YouTube-Kanal verschiedene Übungsprogramme aus dem Yoga oder dem speziellen Bewegungstraining für Menschen mit Multipler Sklerose.

 

Mehr über den Zusammenhang zwischen Fitness und Lebensqualität kannst Du im Artikel „Mehr Fitness – mehr Lebensqualität“ lesen.

Kann ich weiterhin Sport treiben?

Warst Du vor Deiner MS-Diagnose sportlich aktiv, spricht nichts dagegen, es auch zu bleiben. „Es kann allerdings sinnvoll sein, sich über konkrete Übungen zum Erhalt der Mobilität zu informieren, zum Beispiel im Rahmen einer krankengymnastischen Behandlung“, rät der Gesundheitspädagoge Steve Reisgies in einem Interview mit MS Begleiter.

Der Experte erläutert: „Für Menschen mit MS ist körperliches Training besonders wichtig. Denn durch eine Stärkung der Muskulatur und Übungen zur Koordination und zur Beweglichkeit bleiben die Alltagsfähigkeiten besser erhalten und mögliche Einschränkungen können besser kompensiert werden.“

Dabei geht es nicht um Höchstleistungen oder ein bestimmtes Tagespensum, wichtig ist es, dranzubleiben und Dein Übungsprogramm an Deine aktuelle Leistungsfähigkeit anzupassen.

Wer sich lange Zeit nicht oder nur wenig bewegt hat, für den kann der Weg zu mehr Aktivität vielleicht schwierig sein. Allerdings gilt: Sind die ersten Wochen noch mühsam, folgt nach einer Weile meist die Gewöhnung und die regelmäßige Bewegung gehört irgendwann einfach in Deinen Alltag.

Gut zu wissen: Was haben Medikamente mit Deiner Beweglichkeit zu tun?

Für eine möglichst gute Beweglichkeit spielen nicht nur Übungen und Sport eine Rolle. Auch die regelmäßige Einnahme Deiner MS-Medikamente, die sogenannte Therapietreue, ist dafür wichtig, auch wenn Du dabei nicht direkt eine Verbesserung spürst. Ein Teil Deiner Therapie hat zum Ziel, Deine Nerven langfristig zu schützen, Deine Beweglichkeit zu erhalten und den Krankheitsfortschritt zu bremsen. Dein Arzt hilft Dir dabei. „Wer den Therapieempfehlungen seines Arztes nicht folgt, muss damit rechnen, dass sich die jeweilige Erkrankung nicht bessern wird und möglicherweise sogar verschlechtert und dass mehr Komplikationen auftreten“, erklärt der Gesundheitspsychologe Prof. Dr. John Weinman in diesem MS-Begleiter-Interview. Deshalb ist es auch wichtig, dass Du mit Deinem Arzt besprichst, falls Du ein Medikament nicht gut verträgst oder es Nebenwirkungen hat.

1 DMSG. Was ist Multiple Sklerose (MS)? https://www.dmsg.de/multiple-sklerose/was-ist-ms. Letzter Zugriff: 29.11.2022
2 DMSG. Welche Ziele verfolgt die Symptomatische Therapie? https://www.dmsg.de/multiple-sklerose/ms-behandeln/therapiesaeulen/symptomatische-therapie. Letzter Zugriff: 29.11.2022
3 Multiple Sklerose Gesellschaft Wien. Bewegungsstörungen. https://www.msges.at/multiple-sklerose/symptome/bewegungsstoerungen. Letzter Zugriff: 29.11.2022
4 DMSG. Symptome der Multiplen Sklerose. https://www.dmsg.de/multiple-sklerose/symptome. Letzter Zugriff: 29.11.2022
5 Mein Sanofi. Bewegung und Gehirn. https://mein.sanofi.de/themen/bewegung/bewegung-und-gehirn. Letzter Zugriff: 29.11.2022