Gemeinsam stärker: Unterstützung durch die MS-Community
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Austausch, Offenheit und gegenseitige Unterstützung sind Kevin wichtig. Seit er sein Schneckenhaus verlassen hat, in das er sich nach seiner MS-Diagnose zurückgezogen hatte, macht er Menschen Mut, es ihm gleichzutun und offen mit ihrer Erkrankung umzugehen. Sein Nachname ist eigentlich Hoffmann, aber die meisten Menschen der MS-Community kennen ihn wahrscheinlich als Kevin Kämpferherz.
Als die Diagnose „Multiple Sklerose“ in Kevins Leben trat, war er 23 Jahre alt. Das war vor acht Jahren. Damals hatte er gerade seine Ausbildung als Veranstaltungskaufmann abgeschlossen und war in eine andere Stadt gezogen. Statt durchzustarten, wurde Kevin erst mal richtig ausgebremst. „Als ich nach der Diagnose in meine Wohnung zurückkam, habe ich mich für ein Jahr darin verkrochen“, erzählt er. „Ich wollte mit niemandem darüber reden, denn ich dachte, dass mir das nur Steine in den Weg legt.“ Wer würde ihn jetzt noch einstellen? Wie sollte er eine Partnerin finden, wenn sein Leben voller Unsicherheiten war?
Seine Familie und sein Freundeskreis wollten mit Kevin reden, aber er hatte einfach immer das Gefühl, dass niemand seine Situation richtig verstehen könnte. Auf seiner Suche im Internet nach anderen Betroffenen stieß er nur auf Menschen, die in einer ganz anderen Lebenssituation waren. Beim Austausch auf Facebook wurde er sogar mit negativen und neidvollen Kommentaren konfrontiert: „Du hast doch gar nichts, mir geht es viel schlechter, heul mal nicht so rum.“ Kevin fühlte sich damals wirklich alleine mit seinen Ängsten, Zweifeln und Sorgen.
"Es tut einfach gut, über die MS zu reden"
Einen Weg aus dieser Isolation hat er mit selbstgedrehten Videos gefunden. Zunächst waren die noch voller Comedy und seine Erkrankung spielte keine Rolle. Irgendwann hat er dann aber all seinen Mut zusammengenommen und das erste Mal offen über die Multiple Sklerose gesprochen. „Ich bin von einem ins andere Extrem gesprungen, habe mich einfach vor die Kamera gesetzt und dort alles rausgelassen, was sich in den letzten zwei Jahren in meinem Kopf angesammelt hatte.“
Für Kevin war das ein Ventil und es war ihm wichtig, alles loszuwerden, ohne dass ihn jemand mit einer gut gemeinten Floskel unterbricht. So richtig geplant hatte er nicht, das Video zu veröffentlichen, aber er entschied sich dann doch dazu. „Ich hatte es einfach satt, mich zu verstecken, und wollte endlich Klarheit schaffen.“
So ist eines seiner wichtigsten Videos entstanden: „Mein Kampf gegen Multiple Sklerose. Teil 1: Angst“. Wer es sich anschauen möchte, findet es heute noch unter diesem Titel auf YouTube.
Nachdem das Video online ging, erreichten ihn hunderte Nachrichten von Freund*innen, einige davon hatte er schon lange nicht mehr gesprochen, entfernte Verwandte riefen an und zum ersten Mal kam er auch in Kontakt mit Menschen, denen es so ging wie ihm. Kevin merkte: „Ich bin doch nicht so alleine, wie ich dachte.“
Im Austausch fand Kevin plötzlich wieder ein Stück seines "alten Ichs" zurück.
„Wenn man erst mal im Internet über die eigene Erkrankung spricht, dann hat man keine Chance mehr, die MS zu verstecken.“ Das tut Kevin auch nicht mehr. Mittlerweile geht er offen mit seiner Erkrankung um und spricht freimütig über die Multiple Sklerose. Er möchte damit auch andere motivieren, es ihm gleichzutun.
„Jetzt möchte ich die Person sein, die anderen hilft, einen Weg aus der Isolation zu finden, in der ich nach meiner Diagnose steckte.“ Kevin ist mit diesem Wunsch nicht alleine, er ist ein Teil der Kämpferherzen-Community, die er maßgeblich mit aufgebaut hat. „Das Schöne ist, dass sich die Menschen in der Community mittlerweile untereinander helfen, ganz unabhängig von mir. Wenn einer oder eine gerade Hilfe braucht, ist immer jemand für diese Person da.“
Irgendwann entstand der Wunsch, sich nicht nur online zu treffen, denn in der Community sind richtige Freundschaften entstanden. Also hatte Kevin die Idee, mit etwa 20 Personen in einem Park in Kassel zu grillen.
Wer Tag für Tag seiner Erkrankung die Stirn bietet, der ist ein echtes Kämpferherz.
Es kam jedoch anders und aus dieser Idee ist viel mehr geworden. Kevin lud zum ersten Kämpferherzen-Treffen ein und plötzlich waren es 500 Menschen, die daran teilnehmen wollten. Mit der Veranstaltung hat er eine Plattform geschaffen, bei der die Betroffenen im Mittelpunkt stehen. Hier können sich nicht nur Menschen mit MS austauschen, sondern auch Menschen mit anderen Erkrankungen. Im Sommer 2022 fand das Kämpferherzen-Treffen zum ersten Mal in Kassel statt. Es war ein toller Erfolg und ein Termin für das nächste Treffen 2023 steht auch schon fest.
„In der Community geben wir uns gegenseitig Hoffnung, wir zeigen, was MS sein kann und was nicht. Wir stehen uns bei Schüben oder Rückschlägen bei. Zumindest digital sind wir immer verbunden.“
Mit seinem starken Kämpferherz hat Kevin schon viele Betroffene ermutigt, über ihre MS zu sprechen. „Es tut einfach gut und ich kenne bis heute niemanden, der es bereut hat. Jeder kann in seinem Tempo und auf seine Art darüber reden. Niemand muss Bloggerin oder Blogger werden und die eigene Geschichte mit der ganzen Welt teilen.“
Kevins Tipp: „Wenn Du in Deiner Familie oder in Deinem Freundeskreis niemanden findest, der oder die Dich versteht, gibt es im Internet eine große Community, die Dir zuhört, Deine Situation kennt und die Dich vor allem auch ernst nimmt.“
MAT-DE-2301490-2.0-05/2023