Die Diagnose Multiple Sklerose wirft viele Fragen auf – auch über die Zukunft. Was bedeutet das für mein Leben? Muss ich mit Einschränkungen rechnen? Und: Hat MS Einfluss auf meine Lebenserwartung? Die kurze Antwort: In den meisten Fällen hat die MS kaum Auswirkungen auf die Lebenserwartung. Eine ausführlichere Antwort findest Du im folgenden Text.
Jetzt mal Klartext: Was bedeutet MS für Deine Lebenserwartung?
Man liest immer wieder diese Zahlen: Menschen mit MS haben eine um ca. 6 bis 7 Jahre kürzere Lebenserwartung als Menschen ohne MS. Das war vor 20 Jahren auch noch richtig, denn diese Berechnungen beruhen auf älteren Studien. Damals gab es kaum wirksame Therapien und erst recht keine hocheffektiven Immuntherapien. Die Situation hat sich in den letzten Jahrzehnten aber sehr verändert. Auf die heutige Situation treffen diese Zahlen daher nicht mehr zu.1, 2
Allerdings gibt es kaum neuere Daten zur Lebenserwartung. Das liegt einfach daran, dass die Immuntherapien, die heute eingesetzt werden, erst seit den 1990er Jahren verfügbar sind und die Betroffenen, die diese nutzen, heute noch leben. Daher kann deren Einfluss auf die Lebenserwartung noch nicht genauer abgeschätzt werden.
Kann man mit MS alt werden?
Die Antwort lautet: Ja! Zwar kann die Erkrankung Deinen Alltag stark fordern, aber dank aktueller Therapien hat die MS heute bei vielen Betroffenen einen deutlich günstigeren Verlauf als noch vor einigen Jahrzehnten.
Allerdings hängt die Lebenserwartung bei MS auch von der Verlaufsform ab. Bei der schubförmig-remittierenden MS, der häufigsten Form, beeinträchtigt die MS die Lebenserwartung kaum, vor allem, wenn früh mit einer geeigneten Therapie begonnen wird.
Etwas anders sieht es bei der primär progredienten MS aus: Hier schreitet die Erkrankung von Anfang an kontinuierlich voran, was langfristig stärkere körperliche Einschränkungen mit sich bringen kann. Auch bei der sekundär progredienten MS, die sich aus der schubförmigen Form entwickeln kann, steigt im späteren Verlauf das Risiko für Begleiterkrankungen.
Dennoch gilt: Mit guter medizinischer Betreuung und einem aktiven Lebensstil lässt sich in den meisten Fällen die Lebensqualität erhalten – und das über viele Jahrzehnte hinweg.
Bei der Therapie ist Konsequenz gefragt
Bei chronischen Erkrankungen wie MS ist es entscheidend, bei der Therapie konsequent zu bleiben. Medikamente können nur wirken und Deine Lebenserwartung verbessern, wenn Du sie wie verordnet einnimmst. Die aktuellen medikamentösen Therapien können nicht nur die Symptome lindern, sondern auch die Nervenzellen schützen und damit den Verlauf der MS grundlegend verändern. Sie können so das Fortschreiten der Erkrankung bremsen, Langzeitschäden vermeiden und das Leben verlängern.1
Wie verändert MS das Leben?
Neben der Lebenserwartung ist wahrscheinlich auch die Lebensqualität für Dich wichtig. Auch hier helfen aktuelle therapeutische Ansätze. Viele Betroffene können mit der chronischen Erkrankung gut leben. Gerade für die schubförmige MS gibt es wirksame Medikamente, die die Häufigkeit von Schüben erheblich verringern. Teilweise können sie Schübe sogar ganz verhindern, den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen und insgesamt die Lebensqualität verbessern. Dennoch sind auch hier die regelmäßigen Verlaufskontrollen wichtig. Neueste Erkenntnisse zeigen, dass die MS sich auch ohne Schübe schleichend verschlechtern kann. Wissenschaftler*innen sprechen dabei von „Smoldering MS“, auch als schwelende MS bezeichnet.
Für die progredienten MS-Verläufe sind derzeit noch weniger Therapien verfügbar, doch werden auch hier in naher Zukunft Medikamente der nächsten Generation erwartet. Mehr über die rasante Entwicklung bei den MS-Therapien kannst Du im Artikel „MS-Behandlung: damals – heute – morgen“ nachlesen.
Was kannst Du selbst tun, um mit MS gut zu leben?
Du kannst Dein Leben mit MS aktiv mitgestalten und vieles tun, damit es Dir gutgeht – zum Beispiel, indem Du lernst, Schübe früh zu erkennen und das Fortschreiten der MS wahrzunehmen. Es ist zum Beispiel hilfreich, Deine Symptome zu dokumentieren und die regelmäßigen Verlaufskontrollen wahrzunehmen. So kann Dein Neurologe oder Deine Neurologin die Behandlung gezielt anpassen, wenn es nötig sein sollte. Ein Symptomtagebuch kann Dich dabei unterstützen, den Überblick zu behalten.
Ein offenes Gespräch mit Deinem Behandlungsteam kann viel Klarheit bringen – vor allem, wenn Du gut vorbereitet bist. Hier findest Du einige Tipps, wie Du Dich am besten auf Dein nächstes Gespräch mit Deiner Ärztin oder Deinem Arzt vorbereiten kannst.
Auch neben der medizinischen Therapie kannst Du viel tun, um aktiv zu bleiben und Dich wohlzufühlen:
- Bewege Dich regelmäßig: Sanfte Bewegung wie Spazierengehen, Schwimmen oder Yoga kann Deine Mobilität fördern, Verspannungen lösen und Deine Stimmung heben. Wichtig ist: Höre auf Deinen Körper und passe die Intensität Deinem Energielevel an.
- Achte auf eine ausgewogene Ernährung: Frisches Gemüse, Vollkornprodukte, gesunde Fette (wie Olivenöl oder Nüsse) und wenig Zucker können Deine Gesundheit unterstützen. Auch eine entzündungsarme Ernährung kann sich positiv auf das allgemeine Wohlbefinden auswirken.
- Reduziere Stress: Chronischer Stress kann MS-Symptome verstärken. Finde heraus, was Dir guttut – ob Meditation, Atemübungen, Achtsamkeit oder einfach bewusste Pausen im Alltag.
- Pflege Deine sozialen Kontakte: Freundschaften und familiäre Beziehungen geben Halt und stärken die psychische Gesundheit. Ein gutes Gespräch kann manchmal Wunder wirken. Auch die MS-Community online oder offline ist für viele Betroffene ein tolle Möglichkeit, sich auszutauschen.
- Hol Dir Unterstützung, wenn Du sie brauchst: Gerade wenn Du über längere Zeit mit Sorgen, Ängsten oder Depressionen kämpfst, ist es wichtig, das nicht allein durchzustehen. Psychologische Begleitung, Gesprächstherapien oder Selbsthilfegruppen können eine wertvolle Hilfe sein. Depressionen können bei MS häufig auftreten – doch es gibt wirksame Unterstützung.
Häufig gestellte Fragen
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MS gehört zu den sogenannten Autoimmunerkrankungen, bei denen sich das Immunsystem gegen körpereigene Strukturen richtet – im Falle von MS gegen das Nervensystem. Warum es das tut, ist noch nicht vollständig geklärt – deshalb gibt es bislang auch keine Heilung für MS. Forscher*innen weltweit arbeiten daran, die fehlgeleitete Immunreaktion zu entschlüsseln und die Behandlung der MS weiter zu verbessern.
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Die beste Therapie ist diejenige, die individuell auf Dich abgestimmt ist. Dass eine Therapie für Dich nicht optimal ist, kann verschiedene Gründe haben. Vielleicht schlägt ein Medikament bei Dir nicht so an, wie erwartet. Vielleicht treten Nebenwirkungen auf, die Deine Lebensqualität stark beeinträchtigen. Außerdem können sich Deine Lebensumstände verändern oder es können neue Medikamente verfügbar werden, die besser auf Deinen Krankheitsverlauf zugeschnitten sind. Das bedeutet, dass Deine Therapie immer wieder überprüft werden muss und ein Therapiewechsel durchaus sinnvoll sein kann.
Im Allgemeinen brauchen Immuntherapien etwa sechs Monate, um Wirkung zu zeigen. In diesem Zeitraum und auch danach können bei Kontrolluntersuchungen weiterhin neue MS-Läsionen sichtbar werden. Das bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass die Therapie nicht wirkt. Vielleicht sind diese Läsionen kurz nach dem Beginn der Therapie entstanden, also zu einem Zeitpunkt, an dem die Wirkung der Behandlung noch nicht vollständig eingesetzt hatte. Aus diesem Grund werden ein Schub oder neue MS-Läsionen in der MRT erst ab sechs Monaten nach Therapiebeginn als relevant betrachtet. -
Typisch für MS ist das Auftreten von sogenannten Krankheitsschüben. Man spricht von einem Schub, wenn sich bekannte Symptome verschlechtern, neue Symptome auftauchen oder bisher nicht erkennbare Nervenschäden offenkundig werden. Ein weiteres Merkmal eines Schubes ist, dass dieser Zustand über einen Zeitraum von mindestens 24 Stunden anhält. Häufige Beschwerden sind Kribbeln, Lähmungen, Sehstörungen oder Schmerzen. Die Symptome können einzeln oder gemeinsam auftreten und bilden sich meist innerhalb von Stunden oder Tagen zurück – manchmal aber auch erst nach Wochen.
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Die MS wird nicht umsonst die Krankheit der 1.000 Gesichter genannt. Welche Symptome auftreten und wie sie verläuft, ist zu Beginn der Erkrankung kaum vorherzusagen. Um die beste Therapie zu bestimmen, versuchen Ärzte und Ärztinnen dennoch zu prognostizieren, ob es zu einem schweren Verlauf kommen kann. Dazu werden unter anderem Faktoren wie Alter und Geschlecht, der EDSS-Wert, erste MRT-Befunde und die Anzahl der Schübe im ersten Jahr herangezogen.
Quellen:
1. Deutsches Ärzteblatt. Multiple Sklerose: Hohe Lebensqualität erreichbar. 2019. https://www.aerzteblatt.de/archiv/multiple-sklerose-hohe-lebensqualitaet-erreichbar-1a75e5ee-b8cc-42ce-811d-fe00f308e535, letzter Zugriff: 12.06. 2025
2. AMSEL – Aktion Multiple Sklerose Erkrankter Landesverband. Lebenserwartung mit Multipler Sklerose. https://www.amsel.de/multiple-sklerose-news/medizin/lebenserwartung-mit-multipler-sklerose/, letzter Zugriff: 12.06. 2025
MAT-DE-2501905-1.0-06/2025