Ein Kribbeln in den Händen, schwache Beine oder starke Müdigkeit – die ersten Anzeichen für MS sind manchmal kaum spürbar und können völlig harmlos erscheinen. Nur selten werden sie gleich mit der chronisch entzündlichen Erkrankung in Verbindung gebracht. Allerdings können eine frühzeitige Diagnose und ein früher Therapiebeginn die Prognose von Multipler Sklerose entscheidend beeinflussen. Auch frühe Anzeichen einer schleichenden Verschlechterung sind häufig zunächst kaum wahrnehmbar. Sie sind aber ebenso wichtig zu beachten. Im folgenden Artikel erläutern wir, wie Du frühe Anzeichen von MS und von schleichender MS-Progression erkennen kannst und bei welchen Beschwerden Du einen Arzt oder eine Ärztin aufsuchen solltest.
Was sind Frühsymptome der MS – und was unterscheidet sie von Prodromalsymptomen?
Wenn es um erste Anzeichen einer Multiplen Sklerose geht, ist es wichtig, genau hinzuschauen – denn nicht jedes frühe Symptom weist direkt auf die Erkrankung hin. MS ist auch bekannt als die Krankheit mit den 1.000 Gesichtern. Deswegen ist die Autoimmunkrankheit auch so schwer zu erkennen. Gerade in der frühen Phase sind erste Anzeichen oft schwer einzuordnen, eine zuverlässige Früherkennung ist daher bisher nicht möglich.
Frühsymptome – Prodromalsymptome: Was ist der Unterschied?
- Frühsymptome treten in der Regel zu Beginn des typischen Krankheitsbildes auf.
- Prodromalsymptome sind Anzeichen, die Jahre oder sogar Jahrzehnte vor dem Auftreten der typischen Symptome einer Erkrankung auftreten.
Was sind Frühsymptome bei MS?
Frühsymptome bei Multipler Sklerose sind erste Anzeichen der Erkrankung und entstehen durch Entzündungen im Nervensystem.
Zu den Frühsymptomen von MS zählen:1
- Koordinationsstörungen und krampfartige Lähmungen
- Gefühlsstörungen wie Taubheitsgefühl und Kribbeln
- Sehstörungen wie ein dunkler Fleck in der Mitte des Sehfeldes, Doppelbilder oder verschwommenes Sehen
- Schnelles Ermüden, Sich-matt-Fühlen, Konzentrationsstörungen
Diese Symptome sind nicht spezifisch für Multiple Sklerose – sie können also auch andere Ursachen haben oder auf andere Krankheiten hindeuten. Wenn Du solche Veränderungen bei Dir bemerkst, sprich mit Deiner Ärztin oder Deinem Arzt. Gemeinsam könnt Ihr entscheiden, ob weitere Untersuchungen sinnvoll sind, etwa gezielte Tests auf bestimmte Erkrankungen.
Schleichende Verschlechterung erkennen
Neben den akuten Schüben kann MS auch durch langsame, kaum merkliche Veränderungen fortschreiten. Achte daher besonders auf Signale wie:
- Du bist in Deinem Alltag zunehmend erschöpft, sowohl körperlich als auch geistig.
- Deine Gehfähigkeit wird mit der Zeit schlechter. Zum Beispiel werden die Strecken immer kürzer, die Du ohne Probleme zurücklegen kannst.
- Es fällt Dir zunehmend schwerer, konzentriert und aufmerksam zu bleiben.
- Die Probleme bei der Blasen- oder Darmkontrolle werden häufiger.
Was sind Prodromalsymptome bei MS?
Prodrome oder Prodromalsymptome treten noch vor den Frühsymptomen auf, manchmal viele Jahre vor dem eigentlichen „Ausbruch der MS“. Es müssen auch nicht die gleichen Symptome sein wie später bei der MS.
Zu den Prodromalsymptomen von MS zählt man derzeit:2
- Blutarmut
- Fatigue
- Stimmungsveränderungen
- Schmerzen
- Schlafstörungen
Es ist noch nicht klar, ob all diese Symptome direkt mit der MS zu tun haben und wie genau der Zusammenhang zur späteren Ausbildung der MS ist. Es bedeutet also nicht, dass Du MS hast oder haben wirst, wenn Du eines oder mehrere dieser Symptome an Dir feststellst.
Wie kommt man Prodromen auf die Spur?
In den letzten Jahren rückten Wissenschaftler*innen die Prodromalsymptome verstärkt in den Fokus. Die Hoffnung ist, Anzeichen zu erkennen, die eine frühe Diagnose erleichtern. Allerdings werden die Prodrome oft nicht mit der späteren chronischen Erkrankung in Verbindung gebracht. Um mögliche Zusammenhänge zu erkennen, wurden daher Krankenakten ausgewertet. Dabei zeigte sich: Menschen, bei denen später eine chronische Erkrankung diagnostiziert wurde, suchten oft schon Jahre zuvor häufiger ärztliche Hilfe auf oder sie hatten auffällige Blutwerte. Prodrome wurden bereits bei Alzheimer, Parkinson und Typ-1-Diabetes identifiziert. Aber auch bei Multipler Sklerose gibt es Hinweise auf Prodrome. Diese neuen Erkenntnisse sind vielversprechend und können vielfältige Chancen eröffnen, doch die Forschung steht noch am Anfang.3
Multiple-Sklerose-Test – gibt es so etwas?
Einen Test, mit dem MS sicher festgestellt werden kann, gibt es nicht. Du kannst auch keinen Onlinetest machen oder irgendwelche Fragebögen zur Selbstdiagnose ausfüllen. Einerseits gibt es nicht das eine Symptom, das eindeutig auf MS hinweist, andererseits gibt es auch keine Laborwerte, die nur durch eine MS erklärt werden können.
In der Regel führt eine Kombination verschiedener Untersuchungen und Befunde zur Diagnose Multiple Sklerose – nachdem andere mögliche Ursachen ausgeschlossen wurden.
Ein Beispiel: Wenn jemand Sehstörungen hat, können diese verschiedene Ursachen haben, zum Beispiel eine Augenkrankheit, Migräne oder Multiple Sklerose. Schritt für Schritt, oft mithilfe von Untersuchungen, Laborwerten oder Bildgebung, werden einzelne Ursachen ausgeschlossen. Die Diagnose MS ist in der Regel eine Ausschlussdiagnose; das bedeutet, dass eine Reihe anderer möglicher Auslöser für die Symptome ausgeschlossen werden. Erst wenn die Symptome durch nichts besser erklärt werden können, wird die Diagnose MS gestellt.
Beim Verdacht einer Multiplen Sklerose können folgende Tests sinnvoll sein:
- Neurologischer Check: Reflexe, Gleichgewicht, Gefühlsempfinden
- Bildgebung: MRT zur Darstellung von Entzündungsherden an Nerven
- Lumbalpunktion: Analyse des Nervenwassers (Liquor)
- Blutuntersuchung: Ausschluss anderer Erkrankungen
Gibt es möglicherweise in der Zukunft einen MS-Schnelltest?
Bislang gibt es keine Laboranalyse für einen direkten MS-Nachweis. Es befinden sich aber einige Bluttests in der Entwicklung, beispielsweise ein Test, der Trümmerstücke der durch MS geschädigten Nervenzellen nachweisen soll.4 Weil diese aber auch bei anderen Nervenschädigungen entstehen, kann solch ein Bluttest bildgebende Verfahren und Labortests nur ergänzen, um eine MS-Diagnose früh abzusichern. Forscher*innen arbeiten weltweit intensiv an der Entwicklung einer Nachweismethode, die MS spezifisch und zuverlässig identifizieren kann.
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Multiple Sklerose ist eine chronische Erkrankung. Das heißt, sie geht nicht einfach wieder weg. Im Krankheitsverlauf können akute und chronische Entzündungen Dein Nervensystem immer stärker schädigen. Es entstehen mehr und mehr sogenannte Läsionen. Das kann dazu führen, dass sich im Laufe der Zeit Deine Symptome verschlechtern oder neue Symptome hinzukommen.
MS ist heute aber gut behandelbar. Moderne Immuntherapien können die Entstehung neuer Läsionen stark bremsen, die Symptome mildern und Betroffenen ein sehr gutes Leben ermöglichen. Allerdings können einmal entstandene Schäden kaum wieder rückgängig gemacht werden. Deshalb ist es wichtig, frühzeitig mit einer Therapie zu beginnen, um langfristig bleibende Nervenschäden zu vermeiden und den Verlauf abzumildern. Ebenso wichtig ist es, subtile und kaum merkbare Veränderungen im Verlauf der Erkrankung frühzeitig zu erkennen und diese mit Deinem Neurologen oder Deiner Neurologin zu besprechen.
Referenzen:
- Neurologen und Psychiater im Netz. Frühsymptome bzw. erste Anzeichen einer Multiplen Sklerose (MS). https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/neurologie/erkrankungen/multiple-sklerose-ms/fruehsymptome/, letzter Zugriff: 14.04.2025
- National Multiple Sclerosis Society. The MS Prodrome. https://www.nationalmssociety.org/understanding-ms/ms-research/pathways-to-cures/stop-ms-in-its-tracks/the-ms-prodrome, letzter Zugriff: 14.04.2025
- Harding KE et al. Prodromal multiple sclerosis: considerations and future utility. J Neurol 2024; 271(4): 2129–40. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/38341810/, letzter Zugriff: 14.04.2025
- Labor Berlin. Einsatz von neurofilament light chain bei der Diagnose von Multipler Sklerose. www.laborberlin.com/news/einsatz-von-neurofilament-light-chain-bei-der-diagnose-von-multipler-sklerose, letzter Zugriff: 26.02.2025