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„Wir alle sind Helden. Ob die Erkrankten selber oder ihr Umfeld.“

Patrick und Mandy auf dem Kettcar

Ich wurde für diesen Blogbeitrag gefragt, wer meine MS-Helden sind. Auf diese Frage gab es für mich nur eine korrekte Antwort: „Alle Menschen, die mit einer Krankheit leben müssen!“

Das Wort „leiden“ möchte ich vermeiden. Denn eine Krankheit bedeutet nicht immer Leid. Sie kann einem auch die Augen öffnen und die Sichtweise verändern. Im positiven Sinne. Denn genau dieses hat die MS bei mir gemacht. Für mich ist die MS kein Fluch oder Grund zu verzweifeln. Viel mehr sehe ich sie als neue Aufgabe in meinem Leben an. 

Anfangs stand ich mit meiner Diagnose und meinen Ängsten wie viele andere allein da. Durch Recherchen in den sozialen Netzwerken bin ich auf meine heutigen „MS-Helden“ gestoßen. Jeder einzelne von ihnen hat mir auf seine Art und Weise geholfen, mit der Erkrankung umzugehen. 

Wenn ich an meine Anfangszeit mit der MS zurückdenke, dann habe ich meine erste Heldin in der Reha kennengelernt. Es war ein junges, schlankes und hübsches Mädchen. Ihr wurde von den Rehapatienten und -patientinnen gerne hinterher geschaut, da sie ein sehr auffälliges Gesäß besaß. Irgendwann saß ich mit der jungen Dame gemeinsam beim Frühstück und wir unterhielten uns über die MS. Sie erzählte mir von ihrem Verlauf und ihrer Inkontinenz.

Ich war geschockt. Sie sagte, dass sie mittlerweile „Pampers“ tragen müsse. Ich war zunehmend mehr geschockt. Ich entschuldigte mich bei ihr. Sie lächelte und fragte, wofür. Ich sagte ihr, dass es für mich gerade sehr unangenehm sei, da es mir unendlich leid für sie täte, da sie doch noch so jung sei. Von den Blicken auf ihr Gesäß sprach ich gar nicht erst. Innerlich schämte ich mich. Sie selber ging mit der Situation super locker um. Ich bewunderte sie sehr dafür. In diesem Moment hätte ich ihr gerne die Inkontinenz abgenommen. Ich habe schon so viel in meinem Leben erreicht und sie stand noch am Anfang. Meine Sichtweise auf die MS änderte sich schlagartig.

Weitere Erfahrungen machte ich in den sozialen Netzwerken. Ich lernte viele MS´ler kennen und lieben. Der Zusammenhalt war einfach enorm. Er war so stark, dass wir ein MS-Treffen veranstalteten. Meine Frau und ich organisierten eine Location, Grillzeug, Getränke, Unterkünfte usw. Die Vorbereitung war für mich sehr anstrengend, jedoch mit voller Vorfreude. Endlich lernte man die Menschen persönlich kennen, mit denen man zuvor nur geschrieben hat. Das Treffen war ein voller Erfolg. Ängste bezüglich der MS wurden genommen und Erfahrungen wurden ausgetauscht. Aber es drehte sich nicht nur alles um die Erkrankung. Man hatte einfach an diesem Tag viel Spaß, mit tollen „MS-Helden“.

Wie bereits erwähnt ist jeder für mich ein Held. Müsste ich mich aber jetzt festlegen, würde meine 2. Wahl auf Christine @deinechristinems (Instagram) fallen. Auch sie durfte ich bei unserem Treffen persönlich kennenlernen. Christine ist meine „MS-Heldin“. Sie ist eine so offene, echte und liebenswürdige Frau. Ich bewundere ihre Art, mit der MS umzugehen. Wie ihr vielleicht wisst, sitzt Christine ja schon länger im Rolli, aber auch diese Situation wirft sie nicht aus der Bahn. Sie ist in meinen Augen eine absolute Frohnatur und mein persönliches Vorbild bezüglich der MS.

Treffen mit Patrick, Christine und anderen aus der MS-Community

Meine 1. Wahl fällt mittlerweile auf meine Frau Mandy (sorry, Christine :-D). Auch wenn sie selber nicht an der MS erkrankt ist, hat sie mir von Anfang an Mut zugesprochen und mir bei allem zur Seite gestanden. Die Situation war und ist auch für sie nicht einfach. Gerade in Bezug auf ihre berufliche Situation. Mandy arbeitet selber in der Pflege und pflegt zwei an MS erkrankte Patienten. Sie weiß genau, was die MS mit sich bringen kann. Trotzdem entschied sie sich dafür, gemeinsam den Weg mit mir zu gehen. Möge kommen, was wolle. Dafür bin ich ihr zutiefst dankbar.

Die Krankheit betrifft ja nicht nur den Erkrankten selber, sondern auch die Angehörigen. Mandy selber hat sich in einer Gruppe für „MS-Angehörige“ angemeldet, um dort ihre eigenen Erfahrungen mit anderen Betroffenen auszutauschen. Auch wenn wir eigentlich offen über alles reden, gibt es bei ihr Gedankengänge, die sie nicht unbedingt mit mir teilen kann oder dies vielleicht auch nicht möchte. Das respektiere ich voll und ganz. Denn auch meine Gedanken sind für sie als Nichtbetroffene nicht immer nachvollziehbar. Oft ist es ja so, dass man besser mit Fremden sprechen kann, da diese in ihren Meinungen nicht wertend sind.

Anders ist es bei den eigenen Angehörigen. Als Mutter, Vater, Schwiegereltern etc. ist die Sorge um die Krankheit anders. Ich denke, Mandy und ich haben einen guten und vor allem ehrlichen Weg gefunden, noch viele gemeinsame Jahre mit der MS zu verbringen. Jetzt leben wir unser Leben endlich so, wie wir es für richtig halten, und nicht, wie die Gesellschaft es von uns erwartet. Die MS gehört jetzt zur Familie. Von Montags bis Sonntags und das jede Woche.

Wir beide haben in den letzten 5 Jahren viele Menschen mit Multipler Sklerose kennengelernt – sowohl mit milden als auch mit schweren Verläufen. Und wir beide haben festgestellt, dass alle diese Betroffenen glücklich und selbstbewusst sein können und sich durch die MS nicht die Lebensfreude nehmen lassen.

„Wir alle sind Helden. Ob die Erkrankten selber oder ihr Umfeld.“

Patrick und Mandy haben Spaß auf dem Kettcar
Patrick und Mandy haben Spaß auf dem Kettcar

MAT-DE-2102287-1.0-05/2021