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Ein Neustart mit MS ist möglich, wenn man will!

Irgendwie kommt es im Leben doch immer anders, als man denkt, oder? Und oft auch ganz anders, als man plant! Das kann natürlich ganz toll sein, weil sich ungeahnte Möglichkeiten auftun, aber es kann auch ausbremsen, wenn sich Schicksalsschläge einstellen. Krankheiten, der Tod eines geliebten Menschen oder Tieres und vieles mehr!

Für mich ist Leben die Kunst, mit allen Widrigkeiten möglichst gut umzugehen und immer das Beste aus einer schweren Situation zu machen. Und ich sage das nicht so einfach daher, denn ich habe schon viele Schicksalsschläge erlebt, die mich auch mal umgehauen haben. 1994 die MS-Diagnose mit einem blinden und gelähmten Auge und noch ein paar Lebensdramen. Und 2020 verstarb mein Seelenpartner und Ehemann Peter an einem Gehirntumor.

Und wenn man mich heute fragt, wie es mir geht?
Meine Antwort ist: Gut, ich fühle mich wohl und genieße mein Dasein.

Sicherlich habe ich mit meinem Verlauf der MS „Glück“ und doch schafft mich die Fatigue sehr außerordentlich und heftig und nimmt mir definitiv auch Lebensqualität.

Ich bin Witwe und musste in der letzten Zeit noch andere Beerdigungen von geliebten Menschen ertragen. Ich habe noch ein paar (unheilbare) Erkrankungen, aber ich fühle mich wohl.

Fangen wir vorne an:

Als ich 2014 in die Erwerbsminderungsrente ging, die ich mir vier schwere, harte Jahre lang erkämpfen musste (weil man ja meine Beeinträchtigungen nicht sieht!), war ich völlig ausgelaugt und erschöpft, aber ich wollte mich meinem Schicksal so nicht ergeben. Ich fing an, Texte zu schreiben, die dann auch veröffentlicht wurden, und half mir selbst damit beim Verarbeiten der MS!
 

Als sich dann mit meinem Blog toller Erfolg einstellte, begann ich, auch Bücher zu schreiben. Über MS, über das Leben, über Hoffnung und Dankbarkeit. Und beim Schreiben kamen mir so viele gute Gedanken, dass sie auch mein tatsächliches Leben beeinflussten.

Und zwar, indem ich anfing, nicht mehr mit meinem Schicksal zu hadern, sondern mein Leben aktiv in die Hand zu nehmen.

Mit abartiger Fatigue und manchen wenig verständnisvollen Mitmenschen war das damals nicht einfach, aber ich beschloss für mich, dass ich wieder lebendig am Leben teilhaben möchte: im Rahmen meiner Möglichkeiten!

Diese gilt es dann herauszufinden. Das Tolle ist: Wenn man sich auf das besinnt, was man (noch) kann, was man noch leisten kann, dann richtet sich der eigene Fokus automatisch auf die eigenen Stärken. Die Defizite und Schwächen müssen zwar definitiv auch beachtet werden, aber wenn man seine Aufmerksamkeit auf das Gute lenkt, wird man mutiger und stärker.

Ich habe gelernt, mir selbst mit deutlich mehr Achtsamkeit zu begegnen und mich noch reflektierter zu sehen, zu spüren und meine Bedürfnisse klarer auszuloten.

Ich habe gelernt, meine Stärken gut und sinnvoll einzusetzen und meine Schwächen auszugleichen – zumindest wollte ich ihnen keinen Raum mehr geben. Die Achtsamkeit und die Beobachtung auf das Starke zu richten, hilft dabei, sich selbst kennenzulernen und auch diese Stärken auszubauen.

Ich habe gelernt, sehr resilient zu leben: das heißt, eine angemessene Krankheitsbewältigung zu leben.

Dazu habe ich mir sowohl klassische professionelle Hilfe verschreiben lassen (Psychotherapie) als auch in diesem Jahr mehrere Stunden Unterstützung durch eine psychotherapeutische Heilpraktikerin bekommen. Das Arbeiten an sich selbst kann Schwerstarbeit sein, es kann uns in Tiefen und Abgründe führen, aber wenn wir gewillt sind, an uns selbst zu arbeiten, werden wir immer die Gewinner sein.

Ich wollte nach Peters Tod wieder am Leben teilhaben können – mit all meinen Einschränkungen, aber vor allem mit all meinen Stärken. Jene Heilpraktikerin half mir sehr dabei, mich selbst kennen und lieben zu lernen, meine Lebenswünsche klar benennen zu können und auch klar zu begreifen, was ich nicht mehr will!

Trauerarbeit

Man darf trauern, man darf auch mal versinken, man darf schreien und toben, weinen und jammern … (denn dies sind Gefühle, die in einer Verarbeitung eines Dramas wichtig sind)

aber dann hat man die Wahl: Im Jammertal zu versinken oder alles abzuschütteln (wie ein Hund es tut), sich zusammenzuraffen und wieder aufzustehen.

Weitermachen. Das Alte im Bewusstsein, aber das Leben im Hier und Jetzt!

Dazu gehört die Achtsamkeit sich selbst gegenüber, auch das Mitgefühl mit sich selbst und dass man seine Gedanken positiv lenkt. Ich arbeite mit dem „Positiven Mindset“ (https://multiple-arts.com/positiv-denken-mindset/), um meine Gedanken bewusst vom Negativen auf das Positive zu lenken. Das verändert tatsächlich die Lebensweise, die Ansichten und die Einstellungen zu gewissen Dingen.

Mehr Gelassenheit zum Beispiel entsteht dadurch – sich einfach nicht mehr über Dinge aufzuregen, die nicht zu ändern sind. Ach, welch herrliches Gefühl, wenn man selbst merkt, wie ruhig man ist und sich nicht mehr so aufregt. Aufregen raubt Energie – immer! Und davon haben wir sowieso viel zu wenig!

Das alles heißt nicht, dass man irgendetwas verdrängt, denn das würde sowieso wieder zu einem anderen Zeitpunkt hervorkommen. Es bedeutet einfach, dass man sich bewusst dem Guten zuwendet und in Dankbarkeit all das sieht, was noch möglich ist und was man alles hat: Da ich schon einmal blind war, bin ich jeden Morgen dankbar für mein Sehen. Für mein Laufen (auch wenn es nicht vergleichbar mit einem Gesunden ist), für meine Familie, meinen Hund und auch für meinen neuen Partner!

Man darf sich unter die Decke verkriechen und auch einmal den Kopf einziehen, aber dann gilt es, dass man sich im Rahmen seiner Möglichkeiten wieder positiv auf das Leben besinnt.

Denn eines ist sicher: Das Leben geht weiter – immer! Mit dir oder auch ohne dich! Ich habe mich entschieden, dass mein Leben mit mir weitergeht!

Mir ist bewusst, dass ich in den letzten fünf Jahren ein Drama nach dem anderen durchleben musste; eine Sterbebegleitung machte, die mich so enorm viel Kraft kostete. Mir ist all das gewahr und doch möchte ich mich aufraffen, möchte weitermachen und wieder glücklich sein.

Ehrlich: Einfach war das nicht und vor allem, wenn man selbst chronisch krank ist, gibt es doppelte Hürden. Aber mein Wunsch, so unversehrt wie möglich aus diesem Drama herauszukommen, hat mich beflügelt, an mir zu arbeiten.

Kleine Kraftquellen für sich selbst

Klar hilft mir das Schreiben, da es quasi ein „therapeutisches“ Schreiben ist, und gerne möchte ich jeden ermutigen, eine Art Tagebuch zu führen oder sich einfach mal alles von der Seele zu schreiben. Auch ohne, dass es veröffentlicht wird – einfach für sich selbst! Ihr werdet sehen, wie gut das tut!

Auch Social Media kann uns helfen, denn wenn man Gleichbetroffenen begegnet, virtuell oder auch im realen Leben, dann kann man sich wundervoll austauschen, Gemeinsamkeiten entdecken und auch über die Beeinträchtigungen und die damit einhergehenden Gefühle und Umstände reden. Das erleichtert ungemein! Das bedeutet, sich auch mit immer wiederkehrenden Rückschlägen neu zu orientieren und sich selbst zu sortieren.

Facebook, Instagram und Co können uns helfen, Kontakt zu anderen chronisch Kranken zu finden, um dann auch einen richtigen Kontakt aufzubauen. In einer Welt von Social Media, WhatsApp und Telefon muss niemand mehr heillos einsam sein.

Ich habe mich nach meiner Verrentung neu ausgerichtet und einen Neuanfang gewagt, in dem ich meinen Blog gegründet habe und Texte schrieb und immer noch schreibe. Andere haben ein tolles Hobby, dem sie sich nun mehr zuwenden können. Beispiele gibt es viele.

Den Kopf in den Sand zu stecken bringt allerhöchstens ganz kurzfristig etwas, aber langfristig hilft es nur, wenn man nach vorne blickt, sich immer wieder aufrappelt, ganz viel im Hier und Jetzt lebt und mit den positiven Gedanken andere gleichdenkende Menschen anzieht.

So ging es mir und trotz all der wirklich heftigen Schicksalsschläge sage ich heute, dass ich sehr, sehr glücklich bin! Im Rahmen meiner Möglichkeiten, aber diese schöpfe ich voll aus!

Ich wünsche euch allen den Mut zu einem Neustart!

Heike

Grafik von Heike mit Text „Ich geh leben. Kommst Du mit?

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