Auch wenn ich der MS sehr positiv gegenübertrete, hatte auch ich meine persönlichen Tiefschläge. Als die ersten Termine bei der Rentenversicherung stattfanden, war es noch okay für mich. Es ging dabei um die Teilerwerbsminderungs- und Vollerwerbsminderungsrente.
Ich bin gelernter Metallbauer und mir war klar, dass ich meine Arbeit nicht mehr so ausführen konnte wie bisher. Die Gedanken, wie es finanziell weitergeht, machten mir zu schaffen.
Meinen absoluten Tiefpunkt hatte ich, als der Rentenbescheid für die volle Erwerbsminderung ins Haus geflattert kam. Es riss mir den Boden unter den Füßen weg und ich brach in Tränen aus. Ich war doch der Mann im Haus, der für seine Familie verantwortlich war. Ich war erst 36 und sollte jetzt nie mehr arbeiten können?! Ich fühlte mich total wertlos …
Meine Frau und ich führten ein langes und offenes Gespräch. Wir arbeiteten beide Vollzeit. Sie sagte, dass es für sie völlig okay sei, wenn wir nun die Rollen tauschen würden und dass wir im 21. Jahrhundert leben und auch die Frau die Brötchen verdienen kann und der Mann den Haushalt schmeißt. Der Gedanke, dass, wenn sie nach einer harten Schicht nach Hause kommt, die Bude sauber ist und eventuell sogar das Essen schon auf dem Tisch steht, gefiel ihr natürlich.
Aufgrund dessen, dass mein Rentensatz und meine früher abgeschlossene Berufsunfähigkeitsversicherung genug abwarfen, brauchten wir uns um das Finanzielle keine großen Sorgen mehr machen. Auch lange Gespräche mit meinem Arbeitgeber, bei dem ich heute schon 22 Jahre angestellt bin, machten es möglich, dass ich noch auf geringfügiger Basis im Betrieb bleiben konnte. Das bedeutete mir sehr viel, denn es tat meinem Selbstwertgefühl außerordentlich gut. Somit gehe ich noch zweimal in der Woche für vier Stunden in die Firma und erledige Arbeiten, die meine MS zulässt.
Heute geht es uns mit der Situation gut und wir ergänzen uns einfach. Meine Frau und ich sind jetzt schon seit 18 Jahren zusammen und seit fast 12 Jahren verheiratet. Wir waren schon immer ein Dreamteam und unsere 16-jährige Tochter macht das Ganze komplett.
Auch für meine Frau und meine Tochter war die Diagnose nicht einfach wegzustecken. Meine Tochter hat damals nur gefragt, ob ich davon sterben kann. Als ich dies verneinte, sagte sie, dass dann doch alles okay sei. Meiner Frau gegenüber äußerte sie, dass, wenn es mir aber mal schlechter geht, sie nicht möchte, dass ich in ein Heim komme.
Meine Frau versuchte, ihre Zukunftsängste zu überspielen. Aufgrund ihrer beruflichen Erfahrung in der Pflege kannte sie die Schattenseiten, die eine MS mit sich bringen kann.
Bis heute reden wir offen und ehrlich über unsere Ängste und das schweißt uns noch mehr zusammen. Wir sind uns auch beide einig, dass es schlimmer gewesen wäre, wenn sie die MS bekommen hätte, denn sie würde sich über alles Gedanken machen und würde nicht so positiv damit umgehen können.
