Tagein, tagaus Medikamente nehmen oder Infusionstermine einplanen, regelmäßig Arzttermine einhalten, Tagebuch führen ... Wenn Du mit einer chronischen Erkrankung wie Multiple Sklerose lebst, wirst Du dadurch ständig daran erinnert, dass Du krank bist. Das ist anstrengend und kann nervig sein. Kein Wunder also, dass sich viele Betroffene nach einer Weile nicht mehr an Therapieanweisungen halten, obwohl sie diese oft gemeinsam mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin entwickelt haben.

Internationale Studien ergaben, dass 30–50 % aller chronisch kranken Menschen sich nicht oder nicht hinreichend an Therapieempfehlungen halten.1 Doch wer seine Medikamente ohne Rücksprache einfach absetzt, riskiert eine Verschlechterung der MS-Symptome. Deshalb ist es wichtig, sich Gedanken über das Thema Adhärenz zu machen.

Was ist Adhärenz (Therapietreue)?


Adhärenz ist ein Fachwort, das beschreibt, wie gut Du die Therapiemaßnahmen umsetzt, die Du zusammen mit Deinem Arzt oder Deiner Ärztin beschlossen hast. Man kann es als Therapietreue übersetzen. Dazu gehören neben der Einnahme Deiner Medikamente auch andere Maßnahmen wie spezielle Übungen, eine besondere Ernährung oder Anpassungen im Lebensstil. 

In diesem Artikel wollen wir einmal genauer schauen, wie man mit Therapiefrust umgehen kann, warum man mit den eigenen Medikamenten manchmal nachlässig wird und wie es gelingen kann, dranzubleiben.

Viele interessante Informationen über die Themen Therapietreue und Therapiemüdigkeit findest Du auch im Experteninterview mit Prof. Weinman: Es gibt gute Gründe, „therapietreu“ zu sein.

Wie kann ich meine MS-Therapie durchhalten? Kleine Tricks können helfen


Wie kann ich mich motivieren, meine MS-Medikamente weiter zu nehmen? Wie kann mir mein Arzt oder meine Ärztin bei MS-Therapiemüdigkeit helfen? Wie kann ich meine MS-Therapie besser in den Alltag integrieren? Vielleicht hast Du Dir diese Fragen auch schon gestellt und warst von Deiner MS-Therapie frustriert. Wir stellen Dir 8 Tipps vor, wie Du Dich selbst motivieren kannst, dranzubleiben. Denn eine Therapie kann nur erfolgreich sein, wenn Du aktiv mitarbeitest.

1. Gemeinsam geht vieles leichter

Ganz wichtig ist es, mit Deinem Arzt, Deiner Ärztin und Deiner MS-Nurse zusammenzuarbeiten. Wenn sie nachfragen, ob Du Deine Medikamente genommen hast, will Dich niemand kontrollieren. Sie wollen das Beste für Dich herausholen. Deswegen sollte Dein Behandlungsteam auch wissen, wenn Du mit einem Medikament Schwierigkeiten hast oder wenn Du ein Medikament nicht nimmst. Nur so könnt ihr gemeinsam einen Weg finden, wie Deine Lebensqualität möglichst wenig durch die MS-Therapie beeinflusst wird und Du leichter durchhalten kannst.

Eventuell ist es möglich, eine Medikamentenpause einzulegen, doch diese Entscheidung solltest Du niemals alleine treffen. Besprich mit Deinem Arzt oder Deiner Ärztin, ob eine Pause sinnvoll ist oder ob das Risiko besteht, einen Krankheitsschub auszulösen und die Krankheitsaktivität zu erhöhen.

Im Experteninterview mit Dr. Stefan Ries: Mit der MS-Therapie pausieren? kannst Du nachlesen, wann eine Pause infrage kommt und worauf dabei zu achten ist. 

2. Manchmal braucht es ein wenig Geduld

Vielleicht hast Du das Gefühl, dass Dir ein neues Medikament nicht hilft. Deswegen ist Deine Motivation, es regelmäßig einzunehmen, eher gering. Bleib positiv: Viele Langzeitmedikamente zeigen keinen direkten Effekt oder noch nicht einmal langfristig eine deutlich wahrnehmbare Verbesserung. Das kann frustrieren und Du fragst Dich, ob Deine MS-Therapie überhaupt eine Wirkung hat. Sprich auch in diesem Fall Deinen Arzt oder Deine Ärztin ganz ehrlich darauf an. Er oder sie wird Dir erklären, was das Ziel dieser Therapiemaßnahme ist. Möglicherweise setzt die Wirkung erst nach einigen Wochen ein oder es geht darum, langfristig weitere Schädigungen der Nervenzellen zu vermeiden. Es kann auch helfen, ein Symptomtagebuch zu führen. Darin lässt sich über einen längeren Zeitraum gut verfolgen, ob sich z. B. die Schubhäufigkeit oder -intensität verringert und ob sich Deine MS-Symptome auch unabhängig von Schüben verändern.

3. Gut informiert bleiben

Alle Medikamente können neben den gewünschten Wirkungen auch unerwünschte Wirkungen haben, die sogenannten Nebenwirkungen. Diese treten nicht bei jedem oder jeder auf, daher ist es für einen Arzt bzw. eine Ärztin schwierig, genau vorherzusagen, welche bei Dir eintreten könnten. Lies deswegen den Beipackzettel, bevor Du mit der Einnahme eines neuen Medikaments beginnst. Sei Dir bewusst, dass nicht alle Nebenwirkungen bei Dir eintreten werden. Du solltest also zunächst keine Angst davor haben. Wenn Du eine Veränderung bei Dir bemerkst, die Dich beunruhigt, kannst Du mit Deinem Arzt oder Deiner Ärztin darüber sprechen. Er oder sie kann Dir vielleicht vorübergehend etwas verschreiben, um die Nebenwirkungen zu mindern, oder ihr beschließt gemeinsam einen Therapiewechsel.

4. Regelmäßigkeit hilft

Bei Medikamenten, die in regelmäßigem Turnus, zum Beispiel täglich, wöchentlich oder monatlich verabreicht oder eingenommen werden müssen, sollte dies jeweils am gleichen Tag oder zur gleichen Zeit passieren. Das hilft nicht nur dabei, einen gleichmäßigen Wirkstoffspiegel im Körper zu erhalten, sondern auch an das Medikament zu denken. Es kann zum Beispiel helfen, die Gabe des Medikaments mit einer anderen regelmäßigen Tätigkeit zu koppeln, wie dem täglichen Zähneputzen oder dem wöchentlichen Sportprogramm. So werden sie Teil einer Routine und mit der Zeit wird Dich der Geschmack von Zahnpasta oder die Sporttasche daran erinnern, dass Du Deine Tabletten noch einnehmen musst.

5. Vorbereitung ist alles

Gerade wenn man mehrere Medikamente verabreichen oder einnehmen muss, kann es zu Verwechslungen kommen. Da hilft es, gut vorbereitet zu sein. Du kannst zum Beispiel Medikamente in Medikamentenboxen einsortieren. Je nachdem, welche Darreichungsform Deine Medikamente haben, solltest Du eine passende Box aussuchen. Dann musst Du Deine Medikamente nur einmal in der Woche zusammenstellen und Du kannst sicherstellen, dass Du alle notwendigen Medikamente einnimmst, auch wenn es mal schnell gehen muss. Wer sich die Arbeit nicht machen will, kann auch Medikamentenschachteln farblich markieren, zum Beispiel mit einem gelben Aufkleber für morgens und einem blauen für abends.

GUT ZU WISSEN

Alle gesetzlich Versicherten in Deutschland, die mindestens drei Medikamente gleichzeitig einnehmen, haben ein Anrecht auf einen Medikationsplan. In dem ist genau aufgelistet, welche Medikamente Du wann und in welcher Menge einnehmen sollst. Dieser Plan wird ganz individuell für Dich erstellt und bei jedem Arztbesuch aktualisiert. So kannst Du im Zweifel immer nachlesen.



»Mit guter Vorbereitung bleibt der Kopf frei für die Dinge, die Dir wichtig sind.«


6. Apps nutzen

Noch schwieriger ist es, an Medikamente zu denken, die in langen Abständen oder unregelmäßig eingenommen werden. Manche Medikamente – wie Antikörper – werden im Abstand von mehreren Wochen gespritzt oder als Infusion gegeben. Für diese bieten sich Apps an. Es gibt zahlreiche gesundheitsbezogene Apps, die neben der reinen Erinnerungsfunktion eine Menge anderer hilfreicher Anwendungen enthalten. Man kann auch einen ganz einfachen Kalender verwenden, der rechtzeitig an die Termine erinnert. Wende Dich bei Fragen dazu an Dein MS-Behandlungsteam, es kann Dir Empfehlungen geben.

7. Rechtzeitig neues Rezept für Deine MS-Medikamente besorgen

Eine Dauermedikation kann für das gesamte Quartal verschrieben werden. Überprüfe deswegen vor Deinem nächsten Arztbesuch, ob Du ausreichende Mengen von allen Medikamenten zu Hause hast. So kannst Du Dir ersparen, allein für ein neues Rezept zum Arzt bzw. zur Ärztin gehen zu müssen. Denk daran, dass Kassenrezepte seit Juli 2021 nur 28 Tage lang gültig sind.2 Löse Deine Rezepte also am besten gleich ein.

8. MS-Medikamente vergessen! Und was nun?

Wenn Du mal vergessen hast, ein Medikament zu nehmen, lies in der Gebrauchsanleitung nach, ob Du es später einnehmen kannst und sollst. Bei vielen langwirksamen Medikamenten geht es darum, einen stabilen Wirkstoffspiegel im Körper aufzubauen, deswegen kann es sein, dass ein einmaliges Vergessen nicht so schlimm ist. Wenn Du unsicher bist, wende Dich einfach an Deinen Arzt, Deine Ärztin oder Deine MS-Nurse. 

Häufig gestellte Fragen

  • Wenn Du Deine Therapie einfach abbrichst, kann es passieren, dass sich Deine MS-Symptome verschlechtern und häufiger Schübe auftreten. Auch bleibende Beeinträchtigungen können sich entwickeln, die mit einer konsequenten Therapie möglicherweise vermeidbar wären. Besonders wenn Du Dich gut fühlst und keine akuten Beschwerden hast, ist die Versuchung groß, die Medikamente wegzulassen. Doch denk daran: MS ist eine chronische Erkrankung und derzeit nicht heilbar. Wenn Du dank Deiner Behandlung wenige Beschwerden hast, bedeutet das nicht, dass die MS verschwunden ist. 

    Neuere Forschungen deuten darauf hin, dass bei MS neben den akuten Entzündungen bei Schüben auch chronisch schwelende Entzündungsprozesse ablaufen. Diese können von Beginn an aktiv sein und zu langsam zunehmenden körperlichen sowie kognitiven Beeinträchtigungen führen.

    Bei der MS-Therapie heißt es: Durchhalten, denn ohne die Wirkung der Medikamente kann sich die Krankheit auf lange Sicht verschlechtern. Sprich auch mit deinem Arzt über neue Behandlungsmethoden – möglicherweise gibt es neue Medikamente, die gut für dich geeignet sind.

    Mehr über die chronisch schwelende MS kannst du im Artikel „Smoldering MS – ist die ‚echte MS‘?“ nachlesen.

  • Du bist es leid, Dein MS-Medikament täglich einzunehmen? Das ist verständlich – jeden Tag an die Einnahme zu denken und den Alltag nach Deiner Multiplen Sklerose (MS) auszurichten, kann anstrengend sein. Also was tun, wenn Du Deine MS-Medikamente nicht mehr nehmen willst? Zunächst ist es wichtig, dass Du Deine Arzneimittel nicht eigenmächtig absetzt. Sprich mit Deinem Arzt oder Deiner Ärztin über Deinen Therapiefrust. Gemeinsam könnt ihr abwägen, ob eine Pause sinnvoll ist oder ob das Risiko besteht, einen Krankheitsschub auszulösen und die Krankheitsaktivität zu erhöhen.

Referenzen:

  1. Deutsche Apotheker Zeitung. Nicht-Adhärenz von Patienten und Adhärenz-Programme. www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2011/daz-28-2011/nicht-adhaerenz-von-patienten-und-adhaerenz-programme, letzter Zugriff: 27.03.25
  2. Pharmazeutische Zeitung. Rosa Rezept nur noch 28 Tage gültig.  www.pharmazeutische-zeitung.de/rosa-rezept-nur-noch-28-tage-gueltig-126706/, letzter Zugriff: 17.03.25

 

 

MAT-DE-2105483-3.0-06/2025