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Vom Traum der ras(t)enden Reporterin

Verenas Urlaubsaussicht in Griechenland

Wie jedes kleine Mädchen hatte ich seit der frühesten Kindheit meinen Traumberuf: Angestachelt von Karla Kolumna aus der Serie „Benjamin Blümchen“ wollte ich auch Journalistin werden. Das zog sich weiter durch den Großteil meiner schulischen Laufbahn. Bis zum Ende war ich auch in allen Schülerzeitungen vertreten, habe Praktika bei einer Lokalzeitung gemacht und managte auch die Abizeitung. Bis sich mein Leben um 180 Grad drehte. Mit 20, kurz nach dem Abitur, trat die MS in mein Leben, was die Definition meiner Träume noch mal vollkommen aus der Bahn warf.

Vom Traum der rasenden (rastenden) Reporterin
Aber von Anfang an: Als Kind einer Alkoholikerin, die in die Arbeitslosigkeit abrutschte, wollte ich so früh wie möglich finanziell unabhängig und damit selbstständig sein. Auf Anraten, doch für den Anfang eher eine kaufmännische Ausbildung anzustreben, da man damit doch viel sicherer auf dem Arbeitsmarkt stehe, unterschrieb ich einen Ausbildungsvertrag zur Medienkauffrau, noch bevor ich überhaupt in die Abiturvorbereitungen gegangen war. Von da aus war der Sprung zur Journalistin ja nicht weit, so dachte ich damals.

Als ich mitten im Abitur steckte – die schriftlichen Prüfungen hinter mir, das Kolloquium direkt vor mir –, machte sich die MS dann das erste Mal bemerkbar. Im Laufe von ca. 10 Tagen verkrampfte sich mein Körper so sehr, dass ich letztendlich kaum noch schreiben konnte und die erste Hochdosis Kortison bekam. Die offizielle Diagnose folgte bald darauf. Meine Welt stand Kopf. Natürlich war das alles ein enormer Schock. Was passiert hier mit mir? Ist das permanent oder vergeht es wieder? Wie geht es weiter?

So war ich nach dem Abitur doch ganz froh, erst mal in einem sicheren Berufsfeld zu sein. Auch nach der Ausbildung blieb ich in dem Bereich und konzentrierte mich zunächst darauf, mit meiner neuen Realität zurechtzukommen. Der Traum vom Journalismus war jetzt erst mal in weite Ferne gerückt und insgeheim abgehakt.

Kreative Wege, mit der MS umzugehen
Mit der Zeit lernte ich, mit der Krankheit umzugehen und mich ihr zu stellen. Kann ich weiterarbeiten? Wenn auch mit Ausfällen? Was macht sie mit mir?

Langsam bekam ich ein immer besseres Gespür für meinen Körper und wann sich etwas anbahnte – oder eben nicht. Und mit diesem Wissen kam auch die Kreativität langsam, aber sicher wieder.

Es fing als kleine physiotherapeutische Übung an: Meine Physiotherapeutin motivierte mich kreativ zu werden, was auch für mein psychisches Gleichgewicht gut wäre.

Ich war handarbeitstechnisch nicht unbegabt und verfügte noch über einiges Wissen aus der Schulzeit. Dieses packte ich nun wieder aus. Jedoch war ich im Malen, Origami falten, Nähen und Stricken gänzlich unbegabt, so blieb ich letztendlich beim Schmuck machen hängen. Dass ich diese feinmotorige Arbeit trotz MS so gut hinbekam, stellte selbst meine Ergotherapeutin vor Fragen. Ich erkläre es immer gerne mit der Metapher von der Klarsichtfolie: Meine Hände sind damit überzogen und ich fühle nur mit Abstrichen. Dennoch kam ich mit Zangen und Steinen an mein kreatives Ziel.

Dieser kleine, aber nicht unerhebliche Erfolg, den ich mit meinen Schmuckkreationen habe, bietet mir einerseits ein breites Netzwerk an MitpatientInnen, mit denen ich mich austauschen kann. Zudem motivieren wir uns gegenseitig. Andererseits schafft der Kontakt zudem das Vertrauen, auch weiterhin das Thema der chronische Erkrankung öffentlich anzusprechen.

Mit kleinen Schritten den Träumen entgegen
Gerade auch der technologische Fortschritt macht eine Vielzahl von kreativen Feldern für Menschen mit körperlichen Einschränkungen wieder möglich: Mit YouTube-Tutorials, Blogs und ganz klassisch auch mit Büchern eignete ich mir neue Kenntnisse an, wie zum Beispiel mit Kunstharz zu gießen. Beim Gießen trage ich dann wirklich Handschuhe und es fühlt sich nicht nur so an.

Inzwischen ist dies hier auch der dritte Blogbeitrag, den ich als Gastautorin auf dieser Plattform veröffentlichen darf. Es ist vielleicht nicht die erträumte Journalismus-Karriere, aber es geht definitiv in die richtige Richtung.

Und soziale Medien und diverse Fach-Plattformen geben uns als PatientInnen eine Möglichkeit, uns auszudrücken und auszutauschen. Über Facebook entstand bei mir dabei Kontakt mit vielen lieben MitpatientInnen, von denen ich inzwischen auch ein paar wirklich FreundInnen nennen darf.

Schlussendlich sind Träume es immer wert, an ihnen festzuhalten: Sie können sich ändern und so eine Diagnose kann die Erfüllung auch etwas zurückwerfen und verändern, aber am Ende gibt es doch nichts Schöneres, als sie doch irgendwie wahr zu machen.

Mittlerweile hat sich der Traum der rasenden Reporterin aus den Kindertagen etwas gewandelt. In was? Neues Ziel bzw. der gewandelte Traum ist es, auf einem eigenen Blog zu publizieren. Damit bekommt die Schreiberei wieder mehr Bedeutung in meinem Leben und ich kann vielleicht auch noch weiter zum Thema MS aufklären.

MAT-DE-2105127-1.0-10/2021