Kommunikation aktiv gestalten

2 Min. Lesezeit

Kommunikation aktiv gestalten

Meine Nichte hat MS. Sie kam mit einer halbseitig gelähmten Gesichtshälfte aus dem Asienurlaub zurück und alle waren ratlos. Sie wurde von Krankenhaus zu Krankenhaus geschoben und keiner wusste Rat. Bei einer MRT-Untersuchung ihres Kopfs sagte dann die MRT-Assistentin unvermittelt: „Das sieht mir nach MS aus“. Meine Nichte war sprachlos. Solche Situationen kennst Du sicher auch.

Menschen gehen mit Deiner Erkrankung emotionsbefreit unsensibel um oder andere meinen, Dich in Watte packen zu müssen. Klar ist, dass die Diagnose im ersten Augenblick überfordert. Wie geht man mit Dir und Deiner Erkrankung um? Klar ist auch, dass sich Dein Leben ändern wird. Und klar ist zudem, dass Du Deine Belange kommunizieren musst. In unserer neuen Reihe schauen wir uns verschiedene Situationen aus dem Alltag an und geben Tipps, wie Du diese meistern kannst. In unserem ersten Beitrag geht es um das Gespräch mit Deinem Arzt bzw. Deiner Ärztin.

In der Praxis

Du hast endlich einen Termin bekommen. Deine Ärztin möchte mit Dir den MRT-Befund besprechen. Du hörst etwas von einer „Encephalomyelitis disseminata“, die wohl eine schubförmig-remittierende Verlaufsform hat. Du verstehst zwar nicht viel, erkennst aber schon, dass Du neurologisch nicht den Hauptgewinn gezogen hast. Spätestens, wenn sie sagt, dass kein Grund zur Panik besteht und die Krankheit nicht mehr zwangsläufig im Rollstuhl endet, befolgst Du ihren Rat. Du verfällst in Panik und denkst an Rollstuhl. Warum? Weil Deine Amygdala, Dein Emotionszentrum, eine unsichere Situation erkennt und entsprechend reagiert. Die Amygdala, auch Mandelkern genannt, ist ein Teil unseres Gehirns. Sie agiert in solchen Situationen wesentlich dominanter als Dein Großhirn. In Situationen der Angst, der Wut oder der Trauer logisch und sachlich zu agieren, ist nicht im Ur-Programm vorgesehen. Egal, was jetzt noch an Erklärungen folgt, Du kannst jetzt inhaltlich nicht mehr viel aufnehmen.

Was kannst Du tun?

Mach Dir klar, dass es um Dich geht und mach Dich frei von Skrupeln, dies auch einzufordern. Unterbrich Deinen Kommunikationspartner, wenn die Situation Dich überfordert. Setze ein eindeutiges Signal und dann „verbalisiere“ Dich. Zum Beispiel: „Moment bitte. Das geht mir zu schnell. Können Sie mir das bitte in verständlichen Worten noch einmal sagen?“ Oft ist es auch leichter, zunächst über die eigenen Gefühle zu sprechen, bevor es inhaltlich weitergeht. Zum Beispiel: „Ich bin komplett überfordert und schockiert. Ich kann Ihnen gerade ganz schwer folgen“.

Jeder sieht die Welt durch seine eigenen Filter. Für die Medizinerin ist die MS eine Erkrankung, für Dich scheint es anfangs der Untergang Deiner Welt. Und wie schon Heinrich Heine sagte: „Nur das Gefühl versteht das Gefühl“. Wenn die einen vielleicht zu wenig Empathie aufbringen, ist es bei den anderen manchmal zu viel. Wie sieht es zum Beispiel mit Deiner Familie, Deinem Freundeskreis aus? Gehen wir miteinander um wie bisher oder verändert sich die Kommunikation auch hierbei? Lies in unserer nächsten Folge, wie ein Zuviel an Fürsorge auch erdrücken kann und wie Du freundlich aber klar Deine Selbstbestimmung behauptest.

Zur Person

Cäcilie Skorupinski ist Diplom-Sprechwissenschaftlerin und seit 1995 in der Wirtschaftsrhetorik freiberuflich tätig – als Coach, Moderatorin
und Dozentin.

Cäcilie Skorupinski

MAT-DE-2005754 v2.0 (1/2021)