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„Mein Weg, MS mit Kreativität zu begegnen“ oder auch „Wie ich meine eigene Ergotherapie fand“

Blumenschmuck

Die MS begegnete mir erstmals im Alter von 20, also kurz nach dem Abitur. Der erste Schub betraf die komplette Motorik und viele Teile der Sensorik. Das heißt, Spastiken und Sensibilitätsstörungen im ganzen Körper! Ich hatte sowohl Probleme in der Mobilität als auch in der Feinmotorik und Sensorik der Hände. Man kann sich das vorstellen, als würde man durch Frischhaltefolie oder eine andere dünne Folie tasten.

Für die Feinmotorik empfahl man mir noch im Krankenhaus, mit Ergotherapie zu beginnen. Also suchte ich bereits an Ort und Stelle nach entsprechenden Angeboten nahe meines Wohnortes. Ich fand eine ergotherapeutische Praxis, die nicht weit von meinem Zuhause entfernt war. Beim ersten Termin erzählte ich meine Geschichte und bekam gleich das Du angeboten.
„Das bekommen wir hin!“, sagte Martina.

Erster Versuch mit zum Teil experimenteller Ergotherapie

Sie zeigte mir Fingerübungen zur Kräftigung der Hände, die ich auch zu Hause machen konnte. Ich durfte mit Knetmasse arbeiten, bei der die Ergebnisse alles andere als schön waren. Für die Sensorik durfte ich verschiedene Oberflächen ertasten und die Hände in trockenen Reis und Linsen tauchen. Dabei wurden verschiedene Reissorten sowie ungekochte Linsen in ein Behältnis gegeben und ich durfte ertasten, was der Reis und was die Linsen waren.
Weiterhin versenkte sie kleine Steine oder Figuren darin.

Martinas Ansätze waren manchmal experimentell, kamen aber an. Das „Reis-Linsen-Bad“ nahm ich für mich als Idee mit, ahmte es nach und es leistet mir immer noch gute Dienste nach einem Schub. Nach dem Ergotherapie-Block bei ihr in der Praxis gab sie mir weitere Tipps mit auf den Weg. Unter anderem empfahl sie mir, mir eine Beschäftigung zu suchen, die die Hände weiter sensibilisiert. Mein vermindertes Tastempfinden war leider geblieben.

Was fordert mich? Was fördert mich?
Gesagt, getan. Da ich mich zu Schulzeiten bereits gut in Handarbeiten und Kunst anstellte, schrieb ich mir eine Liste, welche Tätigkeiten ich mir vorstellen könnte. Malen, häkeln, stricken oder nähen. Ich versuchte mich an Bleistiftzeichnungen. Dafür kaufte ich mir sogar ein Buch mit Schritt-für-Schritt-Anleitungen für einfache Zeichnungen. Das Ergebnis war wie bei der Knete: unschön und ohne merkliche Fortschritte.

Mein nächster Versuch war das Nähen. Dafür lieh ich mir die Nähmaschine meiner Mutter. Bei diesem Experiment kam ein schönes Halstuch und eine umgenähte Hose heraus. Aber ich war nicht gepackt. Beim Häkeln und Stricken war es ähnlich.

Ich habe es gefunden!
Etwa zur gleichen Zeit, nach dem Scheitern der Handarbeitsversuche, ging mir eine Kette kaputt und ich lieh mir eine Multitool-Zange zum Reparieren. Der erste Versuch misslang auch da, aber mein Interesse war endlich geweckt! Es war eine zeitaufwendige Tätigkeit, aber sie machte Spaß!

Aus der Kette bzw. ihren Perlen wurde übrigens ein Armband, dass ich heute noch gerne trage. Seitdem mache ich Schmuck aus allem, was meinen Weg kreuzt. Selbst aus den kleinen Keramikfilterröhrchen, die ich aus meinem Aquarium abzwacke.

Meine Erstlinge sind von 2012. Inzwischen habe ich das Schmuckthema weiterentwickelt und zu meinem kreativen Output gemacht. Es befreit mich ungemein, wenn ich nach einem anstrengenden Arbeitstag meine Zangen nehme und drauflos arbeite. Es entspannt mich total und gibt mir Kraft!

Verenas Schmuck

Kreativität gibt Kraft!
Besonders in diesen Zeiten, mit der Corona-Pandemie im Nacken, schöpfe ich sehr viel Mut daraus. Ich isoliere mich seit März wegen meiner immunsuppressiven Therapie. Wenn mich der sogenannte Lagerkoller erreicht, ist die Kreativarbeit eine meiner entspannendsten Tätigkeiten.

Da dieses Jahr keiner der Märkte stattfand, auf denen ich sonst meinen Schmuck verkaufe, habe ich praktischerweise auch einige Weihnachtsgeschenke vorgefertigt, die sich auf neue Besitzer freuen. Eben jene Energiequelle lässt mich weitermachen und gibt mir sehr viel Entspannung.

Ich wünsche jedem, dass er/sie seinen Weg mit der Kreativität geht, egal in welche Richtung.

MAT-DE-2006288_v1.0 (12/2020)