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Stille Post – Anfang, Ende oder irgendwas dazwischen?

Arm in Arm am Strand dem Sonnenuntergang zuschauen

Wofür sind wir hier?

Keine Sorge, ich möchte hier nicht über den Sinn des Lebens philosophieren. Darum haben sich schon Personen wie Platon, Kant oder Nietzsche gekümmert. Ich denke ein wenig kleiner – wofür ist die Plattform „MS EINBLICK“ da? Um darüber aufzuklären, was hinter dieser unheilbaren Krankheit steckt – oder vielmehr über das, was nicht dahintersteckt.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir alle, also Sie als Leser, ihr als Betroffene und natürlich auch ich als Verfasserin, Unwissende waren. Wir waren unwissend darüber, was dieses Ding mit dem manchmal unaussprechlichen Namen ist. Was es mit uns macht. Was es mit unseren Angehörigen macht. Wie es unser Leben beeinflussen wird. Und auch darüber, dass es eben nicht bei jedem dasselbe ist.

Und das ist auch überhaupt nicht schlimm. Nicht jeder kann immer alles wissen. Doch jetzt sind wir schon ein Stückchen schlauer und mit fast jedem Tag kommt ein winziges Bisschen an neuem Wissen über die MS hinzu.

Ich bin ziemlich offen damit, dass ich nicht gesund bin. Ich habe meine Geschichte schon so oft erzählt, dass es gar nicht mehr zählbar ist – und das, obwohl ich meine Diagnose erst seit knapp zwei Jahren habe. Ich mag klare Verhältnisse und sehe mich insgeheim in der Pflicht, richtigzustellen, was uns im Laufe der Zeit in Filmen und Erzählungen eingetrichtert wurde.

Ihr kennt doch sicherlich das Spiel „Stille Post“, oder? Der Erste sagt dem Nächsten einen Satz und so wird die Aussage im Verlauf der Erzählkette so lange verfälscht, bis der Letzte der Reihe etwas völlig anderes aufschnappt als das, was zu Beginn gesagt wurde. Und so stelle ich mir das mit der MS auch vor. Irgendwie kennt jeder jemanden, der das „auch hat“ oder der „in einem Film einen gesehen hat, der das auch hat“ oder dessen „Nichte des Großonkels der Schwägerin der eigenen Mutter das auch mal hatte und vor 25 Jahren daran gestorben ist“.

Da gibt es dann zwei Extreme, die in den Köpfen der Leute verankert sind: „Mit MS stirbst du definitiv!“ oder „Ach, na so schlimm ist das doch gar nicht.“
Aus meiner Sicht sind das hier die wichtigsten Fakten auf einen Blick, welche ich leider aufgrund eigener Erfahrungen klarstellen muss:

  • MS steht nicht für Muskelschwund, sondern für Multiple Sklerose.
  • MS ist nicht bei jedem Betroffenen gleich.
  • Nein, wir können uns, wenn wir morgens aufstehen, nicht aussuchen, ob es uns heute so gut gehen wird, wie es gestern der Fall war, und so kann es gut sein, dass wir kurzfristig Termine absagen müssen. Das sind dann keine Ausreden. (Okay, bei manchen Terminen schiebt man die MS vielleicht vor, aber pssst!)
  • Normalerweise stirbt man nicht sofort und qualvoll daran wie die Betroffenen im Film.
  • Das Symptom der Fatigue ist nicht vergleichbar mit normaler Müdigkeit. Sie haut dich völlig aus der Bahn, sodass du dich zu nichts aufraffen kannst. Und da hilft auch kein „Du musst einfach mal wieder richtig ausschlafen.“ Trotzdem danke, dass ihr uns meist nur Tipps geben wollt.
  • Es ist auch nicht die Krankheit, bei der man zwangsläufig sofort im Rollstuhl landet und nie wieder laufen kann.
  • Die Multiple Sklerose ist nicht das Ende.

Vielmehr ist sie meist ein neuer Anfang, eine Änderung des Blickwinkels, ein Hilferuf des Körpers, ein neuer (meist nerviger) Begleiter und auch ganz oft zum Glück der Beginn neuer Freundschaften (sowie das Aussortieren von solchen, die nie welche waren – das merkt man nämlich erst dann, wenn es hart auf hart kommt).

Natürlich kann ich hier nicht verallgemeinernd für alle Erkrankten sprechen, da es leider viel zu viele gibt, die es deutlich härter getroffen hat als mich. Aber ich habe mich in diesen Jahren von so viel (auch seelischem) Ballast befreit, habe begonnen, meinem Körper zuzuhören und kann voller Stolz sagen, dass es mir wirklich gut geht – zumindest momentan, da ich natürlich nicht weiß, was die Zukunft bringt.

Ach, das habe ich in meiner Aufzählung vergessen: Die MS ist nicht berechenbar!

Vor zwei Jahren habe ich das Haus nicht mehr verlassen (können), weil meine Beine keine Lust und Kraft mehr hatten, mich zu tragen. Jetzt stehe ich (natürlich nur metaphorisch) vor euch und sage zum Ende meines Beitrages dasselbe wie immer: Lasst den Kopf nicht hängen, ergreift Chancen und fühlt euch gedrückt. ♥

GZDE.MS.19.03.0182