
Wenn ich dies alles jetzt als Außenstehender lesen würde, dann würde mich diese Vielfalt wahrscheinlich erst mal förmlich erschlagen. Allerdings läuft diese Entwicklung nun vielmehr bereits über viele Jahre und hat seinen Ursprung u.a. auch darin, welche Tätigkeit meine Frau in welchem Moment der Einschränkung durch die MS überhaupt ausführen kann. Manchmal passt das Malen besser, ein anderes Mal fliegen ihr durch eine eigene (meist negative) Erfahrung die Ideen für eine Buchveröffentlichung förmlich zu. Und so findet jede Aktivität im Endeffekt ihren Platz im Leben.
Es bedarf aber auch unter Insidern sicherlich keiner Erwähnung, dass die Einhaltung von notwendigen Ruhepausen – gerade bei einer Nichteinhaltung durch den Patienten – notfalls automatisch durch die MS eingefordert werden. All diese Aktivitäten benötigen jeden Tag und immer wieder eine Neueinschätzung des eigenen Energiehaushalts mit all seinen Auswirkungen auf den Tagesablauf.
Ansonsten hört sich dies alles doch ganz gut an, nicht wahr? Und das ist es natürlich für uns beide auch! Mit ein wenig Bauchgrummeln würden wir auch zustimmen, dass es sich um eine Art des Neustarts auf Grund der vorhandenen Einschränkungen handelt. Dies alles hat sich allerdings durch verschiedene Umstände und Ausgangspositionen ergeben, und einen gegebenenfalls finanziellen Vorteil kann man in diesem Zusammenhang erst mal überhaupt nicht erwarten. Nein, wir haben eher eine gemeinsame Linie in unser Leben bekommen, die uns sehr viel bedeutet und uns dementsprechend auch ausfüllt.

Wir wissen auch sehr gut, dass dies nicht zwangsläufig die Realität andere Betroffener ist! Aus vielen Kontakten, die gerade meine Frau in den vergangenen Jahren zu anderen Betroffenen bekommen hat, wissen wir sehr wohl, dass so eine Entwicklung wie bei uns – die zufällig auch noch Themen übergreifend neue Gemeinsamkeiten mit sich bringt – für viele andere Betroffene überhaupt nicht möglich oder vorstellbar ist. Je nach Umfang und Schwere der Erkrankung, gibt es in deren Leben ganz andere Prioritäten, die man nicht ignorieren kann: von irgendeiner Art NEUSTART kann man da eigentlich nur träumen ... leider!
Wenn Sie sich als ebenfalls betroffener MS-Patient ermutigt fühlen, neue Dinge (wie z.B. kreative Arbeiten) in Ihrem Leben auszuprobieren, dann freut mich das ungemein für Sie. Sollten Sie damit zu einem neuen Sinn in Ihrem Leben und eine innere Zufriedenheit für sich selbst finden, dann wäre das doch eine tolle Bereicherung, oder?!
Wenn Sie allerdings eher das dringende Bedürfnis verspüren, in dem gesamten MS-Chaos um sich herum Ihre wohlverdiente Ruhe haben zu wollen, dann sage ich Ihnen hier an dieser Stelle: Auch das haben Sie sich verdient!
Lassen Sie Nachrichten über „Höchstleistungen trotz MS“ ganz locker an sich vorüberziehen … Ignorieren Sie die manchmal besonders gut gemeinten Ratschläge, die Ihnen vielleicht leider auch gerne mal schon fast als eine Art Bedrohung erscheinen … und glauben Sie auf keinen Fall, dass es - gerade mit Ihrer Krankheit - irgend eine Art der Verpflichtung zu einem NEUSTART gibt! Den Schuss für den NEUSTART hat bereits Ihr behandelnder Facharzt abgegeben … als er Sie nämlich darüber informiert hat, dass Sie MS haben!
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen alles erdenklich Gute für eine Zukunft, die Sie ganz alleine – gerade trotz MS-Erkrankung – nach Ihren ganz persönlichen Wünschen und Bedürfnissen gestalten sollten.
Ich grüße Sie ganz herzlich: Ihr Peter