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Meine unsichtbare MS – seine Perspektive

MS, unsichtbar?!

Wenn wir gemeinsam unterwegs sind, würde niemand denken, dass sie nicht gesund ist. Zugegeben, sie setzt auch ein gutes Pokerface auf und lässt sich ungern anmerken, wenn ihr etwas wehtut, aber nicht jedes Symptom der MS ist eben mit dem bloßen Auge zu erkennen.

Zu den wahrscheinlich alltäglichsten dieser Merkmale zählt die Fatigue. Für mich war es beispielsweise vollkommen normal, am Samstagabend auszugehen und erst am Sonntagmorgen mit der ersten S-Bahn wieder nach Hause zu fahren. Es hat eine ganze Zeit gedauert, bis ich begriffen habe, dass es nicht an fehlender Laune oder Kondition lag, dass ihr spätestens kurz nach Mitternacht die Puste ausging, sondern dass sich hier eben auch die MS bemerkbar macht. Und auch sonst bin ich inzwischen achtsamer geworden. Müdigkeits- oder Erschöpfungsanfälle können im Prinzip jederzeit und plötzlich auftreten. Und ich tue mein Bestes, sie in diesen Situationen zu entlasten.

Ein weiterer Punkt ist sicherlich das Gleichgewicht. Nachdem sich ein Schub bei ihr auf das linke Bein ausgewirkt hat, ist sie nicht immer hundertprozentig sicher unterwegs. Auch wenn sie mir immer wieder mal sagt, dass ich beobachten soll, wie sie läuft, fällt mir oft genug rein gar nichts Abnormales auf. Und ich weiß, dass da was ist! Aber hin und wieder kommt dann eben der Moment, wo sie sich festhalten muss und ich bin dankbar, dass sie mir einerseits genug gezeigt hat und andererseits auch genug vertraut, dass ich ihr hier helfen kann.

Worauf man sicherlich nie kommen würde, ist ihre Blasenfehlfunktion. Im Zuge eines Schubes sind die Sensoren innerhalb ihrer Blase beschädigt worden, sodass sie nicht mehr spürt, wenn diese voll ist. Ergo muss sie sich jedes Mal einen Katheter legen, um Wasser lassen zu können und zu verhindern, dass sie übersäuert oder sich ihr Körper sogar selbst vergiftet. Sicher, sie lacht regelmäßig darüber und scherzt, dass sie oft genug froh ist, im Notfall auch im Stehen pinkeln zu können, aber ich weiß auch, wie peinlich es ihr ist und wie sehr sie kämpfen musste, sich mit der Situation abzufinden.

Fazit: Nur weil Leute gesund aussehen, heißt das nicht, dass sie es auch sind. Und nur weil sie nichts sagen, heißt das nicht, dass es ihnen gut geht. Am Ende denke ich, müssen wir alle unser Ego runterschlucken und aufeinander zugehen. Sei es, sich einzugestehen, dass man manchmal Hilfe braucht und eben nicht alles alleine geht, oder zu verstehen, dass nur, weil etwas von außen nicht sichtbar ist, das noch lange nicht bedeutet, dass es nicht da ist. Es braucht Rücksicht auf beiden Seiten. Wenn ein Betroffener sagt, dass es zu viel wird, dann sollte man dem einfach erstmal glauben und ᾽nen Gang runterschalten. Und wenn ein Nicht-Betroffener nicht versteht, wieso, sollte man sich daran erinnern, dass derjenige nicht in der eigenen Haut steckt und vielleicht erstmal eine Erklärung braucht. Denn egal ob krank oder gesund: Man kann nicht immer alles alleine machen.

GZDE.MS.19.04.0282