
Zu unsicher blieb, wie lange ich überhaupt noch laufen konnte. Auch wussten sie damals nicht, ob die MS vererbt wird. ,Frau L., mit einer Multiplen Sklerose sollten Sie nicht schwanger werden!ʻ, sagten mir damals die Ärzte.“
„Wie war das für dich damals? Und wie ist das für dich heute?“, fragte ich sie.
„Ich habe lange gebraucht, mich damit abzufinden“, berichtete sie. „Kinder gehörten bis dato immer in meine Lebensplanung. Mindestens zwei wollte ich einmal haben. Aber dann jagte ein MS-Schub den nächsten. Da hatte ich zunächst überhaupt keine Zeit, darüber richtig nachzudenken. Auch raubte das die Leichtigkeit und Zuversicht, den ,Plan Bʻ trotzdem anzugehen und der MS zu trotzen. Aber wenn ich schwangere Frauen auf der Straße gesehen habe oder Babys in meinem Freundeskreis oder der Familie geboren wurden, spürte ich immer einen Schmerz. Es hat lange gedauert, bis ich meine Fröhlichkeit wieder hatte und ich wieder unbeschwert lachen konnte.“
„Wie hast du es geschafft, aus diesem schwarzen Loch wieder herauszukommen?“, fragte ich sie.
„Mein Mann hat mir dabei sehr geholfen. Lange dachte ich, dass er bestimmt nicht bei mir bleiben, sondern sich eine andere Frau zum Kinderkriegen suchen wollte. Aber dann sagte er mir, dass ich mir keine Sorgen machen sollte. „In guten wie in schlechten Zeiten!“, so erklärte er es mir. „Und nun sind halt schlechte Zeiten. Aber die guten werden auch wieder kommen. Dann wird es dir wieder besser gehen und dann machen wir es uns schön, auch ohne Kinder.“ Und so war es dann auch. Irgendwann ging es mir gesundheitlich besser und wir konnten auch zum Beispiel wieder reisen oder uns mit Freunden treffen. Das haben wir dann einfach genossen. Auch haben wir viele Nichten und Neffen bekommen, um die wir uns immer gerne gekümmert haben, wenn es mir gut ging.“
Ich wusste nicht so recht, was ich dazu sagen sollte. Renates Leben mit der Diagnose „Multiple Sklerose“ war so anders verlaufen als meines. Nun saß ich vor ihr, im 6. Monat schwanger trotz MS-Diagnose, voller Zuversicht und von den Ärzten in meinem Vorhaben bestärkt. Aber Renate lächelte mich an und sagte: „Ich freue mich für dich und dein Baby. Das ist doch toll, dass sich in der Zwischenzeit so viel rund um die MS getan hat. Ich hoffe für dich, dass alles gut geht!“
* Renate heißt eigentlich gar nicht Renate und beim Aquafitness haben wir uns auch nicht kennengelernt. „Renate“ hatte mich für ihre Geschichte gebeten, anonym zu bleiben.