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Torsten geht mit seiner MS um, als wäre es eine Art Wespenstich

Torsten und Feundin Natalie

Als ich Torsten 2007 kennengelernt habe, saß er schon im Rollstuhl. Wir haben uns beide auf Anhieb sympathisch gefunden. Nach nur wenigen Treffen hat er mir von seiner MS erzählt. Zu dem Zeitpunkt habe ich diese Krankheit nicht gekannt und hatte auch noch nie etwas ihr von gehört. Er hat mir alles mit einem leichten Humor berichtet. Ich bin sehr verwundert gewesen. Er hat keinerlei Berührungsängste gehabt, mir über seine Krankheit zu berichten. Wie kann man über eine Krankheit mit so einem tollen Humor erzählen? Habe ich mir gedacht. Dennoch habe ich ihm aufmerksam zugehört und er hat mir all meine Fragen beantwortet, wie banal die auch gewesen sind. Er kann doch unmöglich so toll mit seiner MS umgehen, als wäre es ein Art Wespenstich und keine Krankheit. Ich hingegen nehme meine eigenen Handicaps immer sehr ernst und bedauere, sie zu haben. Für mich war es wie eine neue Welt, in der man seine Handicaps nicht so dermaßen in den Vordergrund stellen sollte und schon gar nicht sich hinter ihnen verstecken. Ich habe mir nur gedacht, dass ich diesen tollen Menschen unbedingt näher kennenlernen möchte und schließlich ist aus uns ein halbes Jahr später ein Paar geworden.

Ich habe mit einem Rollstuhl noch nie große Probleme gehabt, im Gegenteil: Ich finde es toll, dass es solche Hilfsmittel gibt. Ich habe Freunde, die auch ein Leben im Rollstuhl führen. Es hat mir auch nichts ausgemacht, dass er fast zehn Jahre älter ist. Ich hab ihn immer schon bewundert. Er nimmt mich als Menschen war und sagt mir auch immer, was für ein toller Mensch ich bin. Meine Handicaps sind bei ihm zweitrangig. Trotz seiner MS ist er immer für mich da und unterstützt mich, wo er nur kann. Egal wie schlecht es mir geht.

… immer einen flotten Spruch auf Lager

Das Faszinierende bei ihm ist, dass er immer gut drauf ist und einen flotten Spruch auf Lager hat. Er meistert sein Leben so, wie es kommt, und nimmt jede Herausforderung an, die ihm das Leben bietet. So selbstständig und selbstverständlich. Ein durch und durch positiver Mensch. Negative Gedanken oder Gefühle haben bei ihm einfach keinen Platz. Und das bewundere ich an ihn. Immer wieder aufs Neue versucht er, mich in seinen Bann zu ziehen, und zaubert mir jedes Mal ein Lächeln auf die Lippen. Er ist unternehmungslustig und spontan. Was für mich schon schwieriger wäre, wenn ich in einem Rolli sitzen würde. Wenn ich so ein Leben hätte, wie er es hat führen müssen, hätte ich meine Probleme und den Rollstuhl würde ich verfluchen. Ich könnte niemals so gut damit umgehen wie er. Es macht ihm auch nichts aus, wenn die Menschen auf der Straße hinter ihm her gucken, im Gegenteil. Er nimmt es mit Humor und sagt: „Habt ihr noch nie einen Menschen im Rolli gesehen?“

Die kleinen Kinder hingegen sind da sehr unscheu und interessiert. Die kommen einfach auf ihn zu und fragen, warum er im Rollstuhl sitzt. Für mich ist es erschreckend mitanzusehen, wie manche Eltern ihre Kinder von Torsten wegzerren, als ob er ansteckend wäre. Da denke ich mir nur: „Hey Leute, wir leben im 21. Jahrhundert!“ Die Kids von Freunden nimmt er sogar auf seinen Schoß und dreht mit ihnen eine Runde. Die finden es total toll. Mir bereitet es jedes Mal Freude, wie er mit den Kids umgeht und dass die Kids eine Menge Spaß daran haben. Denn die steigen sehr ungern wieder ab.

Unabhängigkeit durchs Autofahren

Im Laufe der Jahre habe ich mich immer mehr mit seiner MS beschäftigt. Ich habe verstanden, dass sich sein Zustand verschlimmern könnte. Was mir persönlich Sorgen bereitet. Trotzdem gibt er sich selber nie auf. Er kämpft für seine Rechte und die Hilfsmittel, die ihm zustehen, und macht jedes Jahr eine Reha. Er schämt sich keineswegs dafür – im Gegensatz zu mir. Da kann ich jedes Mal meinen Hut vor ihm ziehen. Vor allem kann er über sich selbst lachen. Was schon die halbe Miete ist. Seit 2014 fährt er wieder mit dem Auto. Natürlich hat er es umbauen lassen. Das war immer sein größter Wunsch, dass er mobil ist. Ich hatte meine Bedenken, was das Autofahren betrifft. Da war meine Angst einfach im Vordergrund. Er hat mir bewiesen, dass das alles kein Problem ist. Heutzutage steige ich in das Auto, ohne darüber nachzudenken.

Jetzt denke ich mir nur: Wow, wir sind beide total unabhängig. Wenn er sich ein Ziel setzt, dann zieht er es auch durch, wie schwer oder gar banal es ist und vor allem, wie lange es auch dauert. Ich finde es toll, ansehen zu dürfen, dass er seine MS nicht in den Vordergrund stellt, sondern sich als einen ganz normalen Menschen sieht. Zwar sagt er gern: „Hey, ich bin behindert“, aber nur aus Spaß und auch, damit er Mitleid bekommt, denke ich. Aber wir bemitleiden uns gegenseitig nicht. Sein Internetshop ist ihm sehr wichtig. Er steckt sein ganzes Herz rein. Ich versuche ihm immer beizustehen und ihn zu unterstützen, so wie bei seiner Internetseite.

Wir können uns gegenseitig auf den Arm nehmen

Ich habe große Sorgen, wenn er sagt, dass irgendwas an seinem Körper gerade nicht so gut funktioniert. Er hingegen weiß, dass alles gut wird. Für mich ist er ein großes Vorbild. Ich bewundere ihn sehr. Denn ich schaffe es einfach nicht so toll, mit meinem Handicap umzugehen wie er. Was mir besonders Freude bereitet, ist, dass wir uns gegenseitig auf den Arm nehmen können. Ich kann mich immer auf ihn verlassen. Egal wie schlecht es mir geht. Wir sind einander eine große Stütze und sind froh, uns zu haben. Durch ihn bin ich ein offener Mensch geworden.

Für mich ist er ist ein Stehaufmännchen!

GZDE.MS.18.03.0180