Dieses Thema ist meiner Meinung nach ein sehr diffiziles, denn wie ich finde, praktiziert man es eher als darüber zu sprechen.
Darüber sprechen/schreiben
Na klar habe ich auch ein paar kleine Hemmungen, über Sexualität zu schreiben, vor allem über Sexualität in Zusammenhang mit der MS. Doch ich möchte liebend gerne darüber ein paar Zeilen schreiben, denn seit dem letzten Schub ist nun nichts mehr so, wie es vorher war. Viele werden sich bestimmt fragen, was das eine nun mit dem anderen zu tun hat. Vorweg, ich hatte bis 2011 ein ganz normales Liebesleben, vor meiner Ehe wie auch die Jahre bis zu dem „Knock-out-Schub“. Ein Leben lang habe ich Leidenschaft geliebt, egal in welcher Lebenslage. Ob im Beruf, privat, beim Hobby und ja, auch in der Sexualität. Kennt ihr das, wenn ihr euch ab und zu Dingen widmen müsst, für die ihr keine Leidenschaft empfindet? In meinen Augen können Dinge erst dann richtig aufblühen, wenn sie mit/aus Leidenschaft gemacht werden. Genau das empfand ich auch immer in der Sexualität, doch leider machte mir die Multiple Sklerose einen fetten Strich durch die Rechnung, sodass ich für eine lange Zeit meine „Weiblichkeit“ beiseiteschieben musste. Hier eine kurze Erklärung meinerseits.
Wie die MS die Sexualität beeinflussen kann
Von Mai bis zum Oktober 2011 hatte ich den zweiten (auch den letzten) und den schwersten Schub seit der Diagnose. Er war deshalb so schwer, weil ich auf der ganzen linken Körperhälfte gelähmt war. Ja, gelähmt, von oben bis unten und eben auch im Beckenbereich. Es war teils sehr schwierig herauszufinden, ob ich nun im Bad schon fertig war oder nicht. Genau seit diesem Schub ist auch meine „Sexualität“ nicht mehr die, die sie einmal war. Inwiefern? Nun, ich weiß nicht, wie bei anderen MSlern die Schübe verlaufen, deshalb kann ich nur von mir reden. Ich hatte nicht nur Lähmungen, sondern auch sehr starke Schmerzen. Sex konnte ich während des Schubes nicht praktizieren, um genau zu sein: Zwei Jahre ging nichts. Zum Teil war es für mich sehr schwer, zu akzeptieren, dass die MS mir insofern das Wichtigste genommen hatte, was eine Frau ausmacht, also mich ausmachte. Denn ich fühlte mich dadurch nicht mehr sexy, nicht mehr anziehend, also für mich jetzt. Mein Mann versuchte, mich zu trösten, sprach mir gut zu. Sein Lieblingsspruch damals: „Versuch, dich abzulenken!“ Ja, das tat ich dann auch, so gut es ging. Doch leider funktionierte das manchmal nur bedingt. Nichtsdestotrotz versuchte ich, aus diesem „Defizit“ nur das Beste zu machen und wie mich einige kennen, ist trockener Humor, eher eine Riesenportion Sarkasmus, eine meiner größten Leidenschaften.
Wie ich lernte, mit dem „Handicap“ umzugehen
Meiner Meinung nach ist Sexualität wichtig, doch nicht das Wichtigste. Denn ich finde, es gibt eine viel höhere, intensivere Macht als die des Liebesaktes an sich. Mit der Zeit lernte ich, dass die innere Verbundenheit zu einem nahestehenden Menschen ein größeres Gewicht hat. Heißt nicht, dass ich gar kein Sex mehr hatte oder habe, doch eben nur nicht mehr so oft, denn mein Lernprozess war ein anderer. Da ich es eines Tages akzeptieren musste, dass eben nicht mehr so lief wie gewohnt, musste ich einen Weg finden, mich dennoch mit der Situation zu arrangieren, einen Weg zu finden, wie ich mich wieder ganz, sexy und lebendig fühlen konnte. Siehe da, durch das Tanzen ging zwar nicht meine komplette Beckenlähmung zurück, doch konnte ich wieder sagen: „Mein Mann und ich sind wieder glücklich vereint, und ich bin ohne jegliche Angst, als Versagerin zu gelten!“
Ja, ab und an habe ich noch schlechte Gedanken wie: „Wann hören die Symptome wieder auf und ich kann endlich wieder die Zeit gemeinsam mit meinem Mann genießen, mich in andere Welten entführen lassen?“ Und ja, eben dieses Problem mit der Sexualität in Bezug auf die MS hat auch die Ehe ein paarmal an die Grenzen gebracht, doch mein Mann ist immer noch da, denn ich bin mir mittlerweile sicher, dass uns mehr verbindet als nur die körperliche Nähe.