4 Min. Lesezeit

Verlust

Gewinn und Verlust bei der MS

Ein ziemlich großes Wort und frag ein paar Leute, was sie mit diesem Wort verbinden, egal ob mit Multipler Sklerose oder ohne: Du bekommst meist die gleichen Antworten: Abschied, Angst, Trauer, Wut, Schmerz, Hoffnung. Keine schönen Assoziationen, aber das gehört zum Leben dazu.

Erst einmal kurz zu meiner Person: Ich heiße Christine, Jahrgang 1972, verheiratet und Mutter eines erwachsenen Sohnes. Die MS begleitet mich seit meinem 15. Lebensjahr und nimmt in letzter Zeit immer mehr Raum in meinem Leben ein. Nicht immer schön, aber ich versuche das Beste daraus zu machen.

Seit einiger Zeit blogge ich, um mein altes/neues Leben zu verarbeiten und um anderen Erkrankten zu zeigen, da geht noch was, auch mit Handicap. Das Leben kann trotz Einschränkung noch schön sein. Deshalb weiß ich gar nicht, warum ich mir dieses schwierige Thema ausgesucht habe, da ich doch eher der positive Mensch bin.

Aber ich glaube mein Unterbewusstsein hat sich zur Abwechslung einmal durchgesetzt und zu Wort gemeldet: Hey Christine, das ist das Thema, an dem du immer noch arbeiten musst. Und ja, es stimmt. Ich habe einen ziemlich herben Verlust erlitten, an dem ich bis heute immer noch zu knapsen habe.

Mein größter Verlust, war der Verlust meiner Eltern innerhalb von zwei Jahren. Eine Welt ist für mich zusammengebrochen, aus den Fugen geraten, da ich ein sehr, sehr gutes Verhältnis zu meinen Eltern hatte. Bis zu dieser Zeit hatte ich ein unbeschwertes, glückliches Leben und die MS gut im Griff. Wir haben uns gegenseitig akzeptiert, arrangiert und uns nach ein paar kleinen Schüben auf den stillen Verlauf geeinigt, sprich ich hatte 13 Jahre lang Ruhe.

Doch was kann Stress und Trauer alles auslösen???

Bei mir war es der Startschuss für meine MS, mir ein Schnippchen zu schlagen und unser getroffenes Abkommen über Bord zu schmeißen. Die MS hat richtig Fahrt aufgenommen und ärgert mich zurzeit häufiger mit einigen Schüben und entsprechenden Einschnitten und Begrenzungen. Das ist mein persönliches Beispiel für Verlust und Multiple Sklerose. Das Unterbewusstsein spielt eine riesige Rolle und beeinflusst uns sehr!

Mittlerweile kenne ich durch mein privates Umfeld und meinen Blog sehr viele Erkrankte. Viele von ihnen haben Angst davor, was auf sie zukommen mag, was die Zukunft bringt, da diese Krankheit so unberechenbar und leider auch unheilbar ist.

Wie wird es weitergehen? Steht mein Partner, meine Familie zu mir? Wenden sich meine Freunde von mir ab? Kann ich meinen Beruf, mein Hobbys weiter ausüben? Wie nimmt mich meine Umwelt wahr? Wie komme ich mit den Veränderungen klar? Aber die größte Frage ist: Wie komme ich mit mir selbst klar? Fragen über Fragen, die von Fall zu Fall unterschiedlich sind und richtige Verluste und Ängste auslösen.

Jeder Verlust zieht andere Konsequenzen nach sich, wie z.B. der Verlust der Arbeit. Infolgedessen hat man keinen strukturierten Tag mehr, keine Gesprächspartner mehr, das Geld wird weniger, deshalb kann man sich nicht mehr so viel leisten und unternehmen. Die sozialen Kontakte werden weniger, einige verschwinden sogar ganz. Ist dann noch zusätzlich die Mobilität eingeschränkt, weiß man kaum noch ein noch aus.

Ein richtiger Teufelskreis entsteht und die Spirale nach unten geht immer weiter. Wenn dann noch die MS tatkräftig mitmischt, hat man bald kein Vertrauen mehr in sich selbst, in seine Zukunft. Versagensängste kommen auf, die Selbstachtung sinkt, die Zuversicht schwindet. Die Krankheit bestimmt plötzlich das Leben, wird immer größer und schwebt wie ein Damoklesschwert über einem als unberechenbarer Begleiter. Traurig, aber leider häufig wahr und gelebte Wirklichkeit. Verlust macht keinen Spaß, keine Freude, ist unbequem für sich selbst und meist auch für das direkte Umfeld. Verlust schmerzt.

Für manche Verluste gibt es keinen Ersatz, keine Medikamente, keine Therapie. Der Verlust ist nicht umkehrbar und trotzdem müssen wir ihn bewältigen, akzeptieren und verstehen. Nicht immer leicht.

Verlust kann aber auch Gewinn bedeuten. Das hört sich jetzt ziemlich schräg an, aber man kann durch den Verlust der Gesundheit lernen das Leben mit anderen Augen zu betrachten. Das Leben genießen im HIER und JETZT und nicht in der Zukunft oder in der Vergangenheit. Einige Menschen werden gelassener durch die Erkrankung und leben ihr Leben bewusster.

Auf jeden Fall dürfen wir nicht durch unsere Verluste, egal wie schwer sie sind, die Hoffnung aufgeben, den Mut verlieren, die Lust am Leben verlieren. Wir müssen neue Wege einschlagen, finden und umdenken. Ich sage immer, da geht noch was, nur anders! Das ist auch das Thema von meinem Blog.

„Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen.“

Mein absoluter Lieblingsspruch und sehr passend wie ich finde. In diesem Sinne wünsche ich allen eine positive Entwicklung mit dem eigenen Verlust gut umzugehen und die richtigen Wege einzuschlagen. Gerne auch mit Unterstützung von außen.

Alles Liebe wünscht,

Deine Christine!

GZDE.MS.16.08.0950