Mehr Dialog für ein Plus an Lebensfreude
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Wird die Diagnose „Multiple Sklerose“ gestellt, so bist Du gut beraten, Dich eingehend über die Erkrankung und deren Behandlungsmöglichkeiten zu informieren. Deine wichtigsten Ansprechpartner sind Dein Neurologe und die Dich betreuende MS-Nurse. Im Dialog mit ihnen wirst Du erfahren, worauf Du achten und was Du beherzigen solltest. Dieses Wissen fördert laut Professor Dr. Mark Obermann, Seesen, die Therapietreue, erleichtert die Krankheitsbewältigung und stärkt das Selbstvertrauen und damit auch die Lebensfreude des Patienten.
Fast bei jedem von uns ist das „Googeln“ inzwischen eine Art Reflex, wenn wir nach Informationen suchen. Doch „Dr. Google“ ist keine gute Wahl, wenn eine Multiple Sklerose diagnostiziert wird und man sich über den möglichen weiteren Verlauf der Erkrankung informieren möchte. Denn als Laie ist es schwer, im Internet die Spreu vom Weizen zu trennen, seriöse Informationsquellen zu finden und panikschürende Webseiten außer Acht zu lassen. Andererseits ist es sehr wichtig, dass Du über Deine Erkrankung gut Bescheid weißt. Denn wer gut informiert ist, wird sich mit dem Krankheitsmanagement leichter tun: „Gut informierte Patienten kommen nach meiner Erfahrung auch mit Phasen, in denen es ihnen beispielsweise auf Grund eines akuten Schubs einmal schlechter geht, insgesamt besser zurecht und finden rascher in ihr normales Leben zurück“, berichtet Prof. Obermann, Direktor des Zentrums für Neurologie an den Asklepios Kliniken in Seesen.
Gut investierte Zeit – für den Patienten und den Arzt
Er selbst legt deshalb viel Wert darauf, seine Patienten sehr eingehend über ihre Erkrankung aufzuklären: „Das ist eine gut investierte Zeit für den Patienten wie auch für mich als Arzt“, sagt Obermann. Denn es ist anschließend leichter, gemeinsam die im individuellen Fall beste Behandlung festzulegen, sich weiterhin im Dialog gut auszutauschen und bei Bedarf Anpassungen der Therapie vorzunehmen.
Ein weiterer Punkt kommt hinzu: „Gut aufgeklärte Patienten wissen, mit welchen Symptomen sich im Allgemeinen ein akuter Schub bemerkbar macht. Sie können Veränderungen in ihrem Körperempfinden besser einordnen und wissen eher, wann sie ihren Arzt konsultieren sollten“, so Obermann. Es kann dann frühzeitig eine adäquate Behandlung eingeleitet und wieder eine gute Krankheitskontrolle erwirkt werden. Hierzu ist es jedoch wichtig, Veränderungen im Körpererleben oder auftretende Komplikationen wie zum Beispiel Koordinationsstörungen oder Schwierigkeiten beim Wasserlassen dem Arzt oder der MS-Nurse mitzuteilen. Das fällt leichter, wenn zuvor im Dialog ein gutes Vertrauensverhältnis aufgebaut wurde. Auch schambesetzte, tabuisierte Themen lassen sich dann leichter verbalisieren – und anschließend zumeist auch effektiv therapieren.
Nicht den Kopf in den Sand stecken
Es nützt generell wenig, den Kopf in den Sand zu stecken und die MS als Erkrankung nicht wahrhaben zu wollen. Genauso unsinnig ist es, quasi den Teufel an die Wand zu malen und Visionen von einem Leben im Rollstuhl heraufzubeschwören. Viel sinnvoller ist es nach Obermann, die Chancen des Dialogs mit dem Arzt und der MS-Nurse zu nutzen. Dazu gehört es, sich kundig zu machen, wie die MS heutzutage üblicherweise behandelt wird, welche Therapie im individuellen Fall sinnvoll erscheint und von welchem Verlauf mit hoher Wahrscheinlichkeit auszugehen ist.
„Dann sieht die Situation für viele Patienten weniger belastend aus als anfangs gedacht“, betont der Neurologe. Denn die Medizin hat bei den Behandlungsmöglichkeiten der MS nach seinen Angaben erhebliche Fortschritte gemacht. Es gelingt heutzutage in der überwiegenden Zahl der Fälle, das Krankheitsgeschehen zu stabilisieren, so dass die Betroffenen ein weitestgehend normales Leben führen können.
Nachfragen, wenn etwas nicht verstanden wird
Wichtig hierfür ist es jedoch, dass die verordnete Therapie tatsächlich konsequent durchgeführt wird. Das aber ist laut Obermann erfahrungsgemäß leichter, wenn man weiß, warum die entsprechenden Medikamente so wichtig sind und was sie bewirken. Man sollte sich als Patient daher im Gespräch mit dem Arzt keinesfalls scheuen nachzufragen, wenn man etwas nicht genau verstanden hat. Tauchen im Nachgang Fragen auf, so sollte man diese notieren und den Zettel zum nächsten Gespräch mit dem Arzt oder der Nurse mitbringen, um die anstehende Problematik zu erörtern.
„Wer sich unsicher fühlt, kann gerne auch einen Angehörigen oder einen Freund zum Gespräch mithinzuziehen“, erklärt Professor Obermann. Auch ist man als Betroffener im Gespräch mit dem Arzt oft ein wenig aufgeregt und kann sich durch die Anspannung und die persönliche Betroffenheit Informationen möglicherweise weniger gut merken. Obermann: „Vier Ohren hören mehr als zwei und man kann als Patient die erhaltenen Informationen zu Hause in Ruhe mit seinem Angehörigen nochmal durchsprechen“. „Darüber hinaus kann man den Arzt und ebenso die MS-Nurse auch nach seriösen Informationsquellen fragen“, rät Kathrin Betzinger, MS-Schwester und Studien-Nurse in einer MS-Schwerpunktpraxis in Bogen/Bayern.
Die Vorteile, gut über die MS und die anstehende Therapie informiert zu sein, sind kaum zu überschätzen – darin sind Professor Obermann und Kathrin Betzinger sich einig: „Wer weiß, dass die MS in aller Regel mit einer adäquaten Behandlung zu kontrollieren ist, der ist weniger unsicher in Bezug auf die Erkrankung. Er entwickelt wieder Selbstvertrauen und gewinnt so an Lebensqualität“, so Obermann. Dem pflichtet Kathrin Betzinger bei: „In der Praxis sehen wir, dass gut informierte Patienten nicht von der Krankheit beherrscht werden. Sie nehmen diese ernst, können aber Abstand gewinnen und ihr normales Leben wieder genießen“.
Tipps für das Gespräch mit dem Arzt
Von MS-Nurse Kathrin Betzinger aus Bogen/Niederbayern
- Im Gespräch mit dem Arzt selbstbewusst nachfragen, wenn man das Gefühl hat, eine Information möglicherweise nicht richtig verstanden zu haben.
- Wenn sich Fragen ergeben, diese notieren und den Zettel zum nächsten Arztgespräch oder dem Gespräch mit der MS-Nurse mitbringen.
- Bei dringenden Fragen nicht bis zum nächsten Termin warten, sondern direkt mit der Praxis Kontakt aufnehmen.
- Sich im Gespräch mit dem Arzt Notizen machen, damit wichtige Informationen nicht vergessen werden.
- Den Arzt oder gegebenenfalls die MS-Nurse informieren, wenn es zum Auftreten von Problemen oder Komplikationen wie zum Beispiel einer unerklärlichen Müdigkeit kommt, die eventuell mit der MS zusammenhängen. Sich dabei auch nicht scheuen, schambesetzte Themen offen anzusprechen.
- Einen Angehörigen oder Freund mit zum Arztgespräch nehmen, damit die erhaltenen Informationen besser behalten und zudem auch mit jemandem diskutiert werden können.
- Den Arzt oder die MS-Nurse nach seriösen Informationsquellen fragen.
GZDE.MS.20.01.0031.