Im Porträts: Marion & Oliver

4 Min. Lesezeit

Marion und Oliver - Arm in Arm

Unter der MS leiden oft nicht nur die Betroffenen, sondern auch ihre Angehörigen. Das gilt ganz besonders, wenn eine Fatigue die Kraft schwinden lässt und den Antrieb lähmt. Einen Einblick in ihren Alltag haben Marion und Oliver gewährt. Sie schildern, wie sich gute und auch schlechte Zeiten mit der MS bewältigen lassen.

„Jo mei – wenn Marion einen Schub bekommt, dann muss ich das akzeptieren und unterstütze sie nach besten Kräften“, sagt Oliver, dessen bayerische Herkunft sprachlich nicht zu leugnen ist. Kennengelernt hat sich das Paar über einen Internet-Städte-Chat. Schon sehr früh nach ihrem Kennenlernen teilt Marion ihrem späteren Mann Oliver mit, dass sie an einer MS leidet. „Ich habe die Abkürzung nicht gekannt und dachte, sie hat Muskelschwund“, erzählt Oliver. Erst nachdem er erfuhr, dass es sich um eine Multiple Sklerose handelt, hat er sich über die Erkrankung informiert. Das Ergebnis seiner Recherchen hat Oliver nicht erschreckt: „Ganz gesund ist schließlich niemand. Der Unterschied besteht nur darin, dass Marion weiß, welche Krankheit sie hat und dass wir uns auf möglicherweise anstehende Probleme vorbereiten können.“

Da er von Beginn der Beziehung mit Marion an wusste, dass sie an einer MS leidet, konnte sich Oliver darauf einstellen: „Es wäre für mich schwieriger gewesen, wenn ich im Verlaufe einer längerfristigen Beziehung mit einer solchen Diagnose konfrontiert worden wäre“, berichtet er. Dann nämlich hätte sich möglicherweise das Leben und vor allem das Zusammenleben des Paares durch die Erkrankung geändert.

„So aber war das nicht der Fall, mir war immer klar, dass es Phasen geben wird, in denen Marion verstärkt Unterstützung braucht“, so Oliver. „Dann schmiert er mir Brote, bindet mir die Schuhe zu und kümmert sich neben seiner Arbeit auch um den ganzen Haushalt“, erläutert seine Frau, was „Unterstützung“ bei einem akuten Krankheitsschub im Alltag konkret bedeutet.


„Meine Frau bei der Bewältigung ihrer Erkrankung zu unterstützen, habe ich von Beginn unserer Beziehung an als meine Aufgabe gesehen.“

Die Diagnose MS wurde bei Marion bereits 2001 nach einer Sehnervenentzündung und einer kurz später auftretenden Halbseitenlähmung gestellt. Die Erkrankung verlief bei der damals 25-Jährigen rasch progredient, ein Schub löste quasi den nächsten ab, während die Bürokauffrau sich mehr oder weniger verzweifelt in die Arbeit stürzte.

Doch immer wieder war sie zeitweise an den Rollstuhl gefesselt und es folgte schließlich bereits 2003 die Frühberentung. „Aufgeben ist aber nicht meine Sache“, sagt Marion. Mit viel Mühe und Krafteinsatz absolvierte sie eine Reha-Maßnahme, geht seither mehrmals pro Woche zur Physiotherapie und einmal auch zur Hippotherapie (therapeutisches Reiten). Sie trainiert zudem regelmäßig zu Hause auf einer sogenannten Power Plate und auf einem Motomed, welches motorunterstützt die Arm- und Beinmuskulatur stärken kann. Das körperliche Training kann nicht nur die Mobilität bessern, sondern auch die Fatigue, mit der auch Marion zu kämpfen hat: „Vor allem in der Wärme ist die Erschöpfung sehr belastend“. Man muss sich laut Marion in solchen Situationen erlauben, auszuruhen. „Klar ist das belastend für uns beide, aber“, so Oliver, „wir ändern nichts dadurch, wenn wir mit dem Phänomen hadern und versuchen, etwas zu erzwingen.“

Schwierigkeiten beim Gehen gepaart mit der Fatigue gehören zu den wichtigsten Einschränkungen im Alltag von Marion und Oliver. „Die Gehstrecke, die Marion bewältigen kann, ist halt recht kurz. Wir nehmen deshalb bei Spaziergängen einen kleinen Klapphocker mit, damit sie jederzeit zwischendurch ausruhen kann“, berichtet Oliver. Der Klappstuhl ist nach seinen Erzählungen nur ein Beispiel für so manch weitere Hilfsmittel, mit denen das Paar gelernt hat, die durch die Krankheit bedingten Handicaps gut zu bewältigen und sich dadurch nicht die Lebensfreude trüben zu lassen.

Zu schaffen macht Marion aber nicht nur die eingeschränkte Mobilität, sondern auch das spürbare Nachlassen der kognitiven Fähigkeiten: „Ich kann mir vieles nicht mehr so gut merken und habe deshalb überall Spickzettel und Erinnerungshinweise hingepackt“, erklärt sie. Regelmäßig trainiert sie ihre kognitiven Fähigkeiten außerdem mit speziellen Trainingsprogrammen und Spielen am PC, mit Kreuzworträtseln und Denksportaufgaben.

Auch davon abgesehen, stehen Marion und Oliver aktiv im Leben. Wann immer möglich, spielen sie Darts und nutzen den Kicker und die Tischtennisplatte, die auf dem Speicherboden stehen. So ganz nebenbei und mit viel Spaß an der Sache wird nach ihren Worten bei Darts, Kicker und Tischtennis auch trainiert – und zwar sowohl die Standfestigkeit als auch das Gleichgewichtsempfinden und die Mobilität.

Angst vor der Zukunft? Fehlanzeige, sagt Oliver: „Die Kunst des Lebens besteht darin, einmal mehr aufzustehen, als man umgeworfen wird.“

„Sollten Probleme hinsichtlich der MS auftreten, werde ich meine Frau bestmöglich in deren Bewältigung unterstützen. Und ich bin mir sicher, dass wir uns von der Erkrankung nicht unterkriegen lassen und dass sie uns unsere Lebensqualität und unsere Lebensfreude nicht wird nehmen können.

Es ist halt so, wie es ist – passt scho!

Apropos

Marion und Oliver engagieren sich auch für andere Menschen mit MS in ihrer Region und haben dazu die „Multiple Sklerose Selbsthilfegruppe Sonnenschein Ingolstadt e.V.“ ins Leben gerufen (http://www.msingolstadt.de/). Das wichtigste Ziel des Vereins ist es, „Betroffene aus ihrer Isolation herauszuholen und am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen“.

GZDE.MS.20.01.0025