Alles, was Recht ist: sozialrechtliche Tipps für Dich

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Alles, was Recht ist: sozialrechtliche Tipps für Dich

Eigentlich ist es eine klare Sache: Menschen mit Behinderungen haben Anspruch auf Unterstützung, damit sie bei der Arbeit und im täglichen Leben nicht ausgeschlossen werden. Doch nur wer seine Rechte kennt, kann sich notwendige Unterstützung holen. Deshalb stellen wir Dir einige Tipps vor, mit denen Du Dich im „Paragrafendschungel“ des Sozialrechts besser zurechtfindest.

Viele Menschen mit MS werden über sich selbst sagen: „Ich bin doch nicht behindert.“ Doch auch wenn es den einen oder anderen überraschen mag: Vor dem Gesetz gelten auch Menschen mit MS als Personen mit einer Behinderung. Dementsprechend haben sie nicht nur Anspruch auf einen Behindertenausweis, um Nachteile bei der „Teilhabe am Leben in der Gesellschaft“ auszugleichen, sondern auch auf alle Rechte, die dazugehören.

§ 2 (1), Neuntes Buch, Sozialgesetzbuch:
Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.

Gut zu wissen: Hier gibt es Unterstützung

So unterschiedlich wie der Verlauf einer Multiplen Sklerose sein kann, so verschieden sind auch die Hilfsmittel, die Dir im täglichen Leben weiterhelfen können. Wichtige Ansprechpartner sind dabei zunächst die Krankenkassen, aber auch die Pflegekassen oder die Rentenversicherung.

Bist Du leistungsberechtigt nach dem SGB II, würdest also das sogenannte Hartz IV bekommen, kannst Du Dich auch an das Jobcenter in Deinem Ort oder an kommunale Träger wenden. Zudem helfen die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung wie die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen in solchen Fällen weiter.

Auch sind sie die richtigen Ansprechpartner, wenn es um Deine berufliche Wiedereingliederung nach Wege- oder Arbeitsunfällen geht und der Unfall anerkannt wurde.

Du bist noch ein Kind, ein Jugendlicher oder generell unter 27 Jahren? Dann kannst Du auch mit dem Jugendamt oder der Kommune an Deinem Wohnort sprechen, um Unterstützung zu erhalten.

Ein wichtiger Schritt: erst der Antrag, dann die Anschaffung

Bevor wir Dir anhand einiger konkreter Beispiele zeigen, welche Art der Unterstützung für Dich interessant sein könnte, noch ein wichtiger Tipp: Bevor Du etwas anschaffst oder mietest, solltest Du den Antrag auf Kostenübernahme stellen. Sonst kann es Dir passieren, dass Du zwar ein Hilfsmittel organisiert hast, aber die Anschaffungskosten nicht vom Kostenträger übernommen werden. Deshalb gilt: erst der Antrag, dann die Anschaffung!

Dein gutes Recht: Beispiele für Unterstützung

Die Anschaffung eines Autos
Du bist in besonderem Maße auf die Nutzung eines Autos angewiesen?1 Und das ständig oder zumindest regelmäßig?Dann hast Du Anspruch auf Unterstützung beim Kauf eines Pkws.

Aber Vorsicht: Wenn Du auch ein Krankenfahrzeug nehmen kannst oder Deine Taxikosten oder die Tickets für öffentliche Verkehrsmittel übernommen werden, um Deine Eingliederung ins Berufsleben und die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen, musst Du Dich leider von Deinem Traum eines eigenen Autos verabschieden. So hat es das hessische Landessozialgericht entschieden.3

Anspruch auf „Hartz IV“
Wenn Du Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bekommst oder sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben wie Eingliederungshilfen5, kann ein sogenannter Mehrbedarf in Betracht kommen.6 Dieser beträgt 35 Prozent des Regelbedarfs nach § 20 SGB II. Aber auch hier gibt es einen kleinen Haken: Wenn Du in der Berufsvorbereitung oder in einer Ausbildung bist, gelten diese Ansprüche nicht.

Die Unterstützung kannst Du übrigens in manchen Fällen auch nach Beendigung der Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit noch beziehen, vor allem während einer Einarbeitungszeit.7

Wenn Du Anspruch auf diese Leistungen hat, kannst Du zudem nach § 24 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 SGB II einen Mehrbedarf für die Reparaturen von therapeutischen Geräten und Ausrüstungen sowie für die Miete von therapeutischen Geräten erhalten.

Allerdings nur dann, wenn die Krankenkasse oder der Rehabilitationsträger leistungsverpflichtet sind oder wenn noch Gewährleistungsansprüche bei dem jeweiligen Gerät bestehen.

Anschaffung einer Brille
Bei diesem Thema gibt es einige Besonderheiten, die Du kennen solltest. Grundsätzlich gilt: Benötigst Du eine Brille zum Ausgleich einer Sehschwäche, handelt es sich dabei um eine einmalige Anschaffung. In diesem Fall kommt grundsätzlich nur ein Darlehen nach § 24 Abs. 1 SGB II in Betracht.

Allerdings hat das Landessozialgericht NRWentschieden: Führt eine chronische Augenerkrankung zu einer ständigen Verschlechterung der Sehkraft, muss Deine Brille laufend der geänderten gesundheitlichen Situation angepasst werden. Es kann sich dann um einen Sonderbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II handeln – ein sogenannter regelmäßig wiederkehrender Bedarf –, dessen Kosten vom Jobcenter oder dem zugelassenen kommunalen Träger als Zuschuss zu übernehmen sind. Zu prüfen ist auch immer eine mögliche Kostenbeteiligung der Krankenkasse.

Hilfsmittel am Arbeitsplatz
Brauchst Du Hilfsmittel am Arbeitsplatz, um Deine berufliche Tätigkeit adäquat oder sicher durchführen zu können? Wenn dies bei Dir der Fall ist, wird geprüft, inwieweit der Arbeitgeber an den Kosten zu beteiligen ist. Er ist auch für den Brandschutz sowie die Arbeitssicherheit verantwortlich. Ansonsten hilft als Kostenträger rund um den Arbeitsplatz die Rentenversicherung. Bei schwerbehinderten Personen sind auch die Bundesagentur für Arbeit sowie die übrigen Rehabilitationsträger und das Integrationsamt die richtigen Adressen, um Hilfsmittel zu ermöglichen.

Anspruch auf Hilfsmittel durch Deine Krankenversicherung
Nach § 33 SGB V (Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch) hast du als versicherte Person in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) Anspruch auf Hilfsmittel, die im Einzelfall erforderlich sind, um einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Es darf sich dabei jedoch nicht um Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens handeln oder um Hilfsmittel mit nur geringem oder umstrittenem Nutzen.

Konkret werden Deine Kosten nicht übernommen für Gegenstände, die unabhängig von Krankheit oder Behinderung unentbehrlich sind, wie zum Beispiel Bettwäsche, Arbeitsschutzkleidung, Schutzhelme, Protektoren bei Sportlern oder ein Autokindersitz.

Die verschiedenen Kostenträger im Überblick

Die Rentenversicherung
Die Rentenversicherung arbeitet nach dem Motto „Rehabilitation vor Rente“. Deshalb unterstützt sie Menschen mit MS durch medizinische und berufliche Rehabilitationsleistungen. Die Leistungen umfassen Hilfsmittel, die insbesondere Deine behinderungsbedingten Nachteile am Arbeitsplatz ausgleichen sollen.

Das Integrationsamt und die Integrationsfachdienste
Das Integrationsamt arbeitet eng mit der Agentur für Arbeit zusammen. Es unterstützt schwerbehinderte oder gleichgestellte Arbeitnehmer, Beamte und Selbstständige durch finanzielle Hilfen aus Mitteln der Ausgleichsabgabe. Gefördert werden können Arbeitgeber und Arbeitnehmer, wobei der Arbeitgeber in einem angemessenen Verhältnis an den Gesamtkosten beteiligt werden kann.

Im Auftrag der Integrationsämter können die Integrationsfachdienste (IFD) oder der Rehabilitationsträger tätig werden. Hier können sich Arbeitgeber und Beschäftigte bei Fragen und Problemen zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen beraten lassen. Diese Beratung umfasst neben Hilfsmitteln auch praktische Hinweise zur Zusammenarbeit. Darüber hinaus informiert der IFD über finanzielle Förderungen und unterstützt bei der Beantragung.

Weiterführende Informationsangebote im Überblick

Zum Thema Hilfsmittel am Arbeitsplatz, Arbeitsschutz und -sicherheit

  • Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: www.baua.de
  • Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienste und Wohlfahrtspflege: www.bgw-online.de

Rehabilitation, Hilfsmittel zur Teilhabe am Arbeitsleben, Kfz-Hilfe und Ähnliches

Integrationsämter

Quellen:
1 (§ 8 Abs. 1 S. 2 Eingliederungshilfeverordnung – EinglHV)
2 (vgl. § 10 Abs. 6 EinglHV)
3 (24.10.2012 – Az.: L 4 SO 198/11 –; Beschl. v. 22.11.2012 – Az.: L 4 SO 283/11 –)
4 (nach § 33 SGB IX, Sozialgesetzbuch – Neuntes Buch)
5 (nach § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3 SGB XII, Sozialgesetzbuch – Zwölftes Buch)
6 (§ 21 Abs. 4 SGB II)
7 (§ 21 Abs. 4 S. 2 SGB II)
8 (im Beschluss vom 12.06.2013, Az.: L 7 AS 138/13 B)

MAT-DE-2100544 v1.0 (03/2021)