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Gina - Neudiagnose Multiple Sklerose | 1000 Gesichter #27

Ich hatte das Glück, Gina beim Interview zu „Perspektivwechsel“ das erste Mal zu begegnen. Sie hatte geschrieben, ihre Diagnose bekommen zu haben, als ihr zweites Kind gerade sechs Monate alt war. Die vordiagnostischen Untersuchungen à la MRT oder Lumbalpunktion hauen jeden um. Dazu noch die Geburt eines Kindes? Fällt die Welt da nicht aus den Angeln? Im Studio begegnete mir dann allerdings eine sehr ruhige, sehr kraftvolle Persönlichkeit.

Dieser Gegensatz faszinierte mich und ich war sehr froh, als sie einwilligte, sich für „1000 Gesichter“ portraitieren zu lassen. Das Thema? Neudiagnose.

Gina mit ihrem Sohn

Die Drehvorbereitungen

In der Vorbereitung auf den Dreh telefonieren wir mehrfach und Gina beschreibt mir ihre Familie: zwei Jungs, Mann und Hund. Ein Häuschen, das sie durch eine Genossenschaft in Hamburg im Frühjahr 2017 beziehen konnten. Ein wahrer Lichtblick für die Familie, so konnten sie sich von 60 auf 120 Quadratmeter vergrößern. Im Vorgespräch muss ich lachen, als sie sagt: „Die MS passt mir gerade gar nicht in den Kram!“

Abends vor dem Dreh spreche ich nochmal mit Gina den Drehplan durch und wir entscheiden, dass wir im Volkspark anfangen, solange das Wetter gut ist - Hamburg im November halt. Am nächsten Morgen, bei Ankunft, gibt es erstmal ein freudiges Hallo: Ruby, der Australian Shepherd, freut sich über so viel Besuch.

Ein Herz und eine Seele

Im Park stellt sich heraus, dass Gina und Ruby seelenverwandt sind. Ruby ist ein ehemaliger Personenspürhund und hört so genau, dass es wirkt, als ob Gina mit ihm in einer eigenen Sprache spricht. Später im Interview bestätigt sie diesen Eindruck. Ruby begleitet sie schon seit mehr als 10 Jahren und sie muss nicht reden, damit er sie versteht. Die Bilder, die wir im Park drehen, erweitern mein Bild von Gina noch einmal: Sie wirkt souverän und glücklich.

Nach der Ruhe im Park folgt der Dreh im Kinderzimmer. Wir begleiten die Familie mit der Kamera jetzt beim Spielen mit den Kids. Das ist sehr süß. Joris, der ältere der zwei Jungs, ist ein Großmeister im Legobau und findet bei Drehende noch besonderen Gefallen an Mikro und Angel unserer Tonmeisterin Claudia.

Managerin Gina

Am nächsten Tag ist sehr früh Drehbeginn: Wir wollen Gina dabei begleiten, wie sie und ihr Mann die Kinder für den Kindergarten fertig machen. Ein ganz schöner Jonglage-Akt, ein Kind im Wagen, ein Kind auf dem Fahrrad, der Hund an der Leine am Wagen und eine Gina, die alles zu Fuß managt. Der Eindruck verfestigt sich, dass „Managen“ ein Gina-Thema ist.

Gina und ihr Hund

Ehrlich und mit Tiefe geht es dann ins Interview. Ich frage Gina nach ihrer Diagnose, nach Kommunikation mit Familienmitgliedern und nach ihren Wünschen für die Zukunft. Sie ist ehrlich, gradlinig und ungeschönt, aber auf eine sehr inspirierende Weise. 

„Es war wirklich dieser Moment ‚Wie soll ich das denn jetzt auch noch schaffen?‘ Das war das, was mir als erstes durch den Kopf ging.“

Sie steht für sich selbst und ihre Familie ein. Sie ist die Hauptverdienerin in der Familie, selbstständig und damit finanziell unter Druck. Ich habe Fragen für sie vorbereitet, die sie aus der Reserve locken sollen - völlig unnötig bei ihrer Ehrlichkeit.

Gina an ihrem Laptop

„Der Unsinn ist: Warum greift ein Körper sich selber an? Und der Sinn - auf einer anderen Ebene - ist wahrscheinlich, dass die wahren Prioritäten aufgezeigt werden oder deutlicher werden. Es wird eher forciert, im Jetzt zu leben und die kleinen Momente mehr wertzuschätzen.“

Es wird ein sehr berührendes Interview, für das ich mich am Ende bei ihr bedanke. 

Was bleibt, nachdem der Dreh nun vorbei ist? Das Gefühl, dass jemand wie Gina alles schaffen kann. Ich bewundere die Stärke, die sie in Familie und im Job beweist. Nach der Diagnose hat sie sich einen Traum verwirklicht und spielt seit sechs Monaten Cello, und das ganz schön talentiert. Als nächstes in der Mache? Ein MS-Blog.

Chapeau, Gina!

MAT-DE-2302535-1.0-06/2023