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Musik ist für mich Freiheit

Marie: Ich finde, Musik ist eine universelle Sprache.

Wenn ich in die Welt der Musik eintauche, ist alles gut. Plötzlich gibt es da nichts mehr, was mich ablenkt oder abhält. Alles scheint hier möglich.

Beim Singen betrete ich eine andere Sphäre und fühle mich nah bei mir. Irgendwie abgeschottet von allem, aber doch mittendrin und zugänglich.

In der Musik kann ich immer so sein, wie ich bin. Als würden sich alle Teile, die mich ausmachen, vereinen. Dann fühle ich mich friedlich und frei.

Musik ist für mich Gefühl. Alle Gefühle. Musik ist für mich Freiheit.

Damals, mit 4 Jahren, habe ich angefangen zu singen. Meine Familie liebte es immer, wenn ich gesungen habe. Bisher gab es noch nichts in meinem Leben mit diesem intensiven Stellenwert. Schon als Kind war ich einfach glücklich, wenn ich alleine in meinem Zimmer war und mit mir selbst im Chor gesungen habe. Ich war ein sehr stilles Kind, meine Stimme gab mir Kraft, sie machte mir Mut. Damals habe ich Stimme für Stimme über meinen Walkman, später über den MP3-Player eingesungen, wieder abgespielt und immer weiter geschichtet. Bis eben ein Chor entstand. Ich liebe Harmonien.

Musik ist für mich Harmonie.

Als ich MS bekommen habe, war ich erst 14 Jahre alt. Schlagartig hat sich damals alles verdunkelt. Ich wusste nicht, was mit mir geschah. Es fühlte sich kalt, düster und sehr ungemütlich an. Als würden mir nach und nach all meine Sinne genommen. Ich fühlte mich plötzlich haltlos und kam mir betäubt vor. Wie umhüllt von Nebel. Mein Glanz schien zu schwinden. Irgendwie ging ich ein. Ganz ungewöhnlich für mich. Ich war schon immer dafür bekannt zu strahlen. Während ich mit Vollkaracho immer tiefer in die dunkle Ungewissheit stürzte, hatte ich einen Anker, den ich schnell wiederfand: Musik.

Musik ist mein Anker.

Schon der Gedanke daran hat mich innerlich leuchten lassen. Ich schrieb Songs in meinem Kopf, später wurde ich mit einem davon an der Hamburg School of Music angenommen, welche ich nach einem Jahr wieder abbrach. Ich konnte mich nicht damit identifizieren, Musik gewissermaßen „zu lernen“. Ich möchte sie nur fühlen und transportieren. Für mich und andere. Das Singen, die Musik, gibt mir Sicherheit und stärkt mich. Wie so ein Licht, das mich immer anstrahlt, geht sie niemals aus und erdet mich.

Musik ist für mich Sicherheit und Kraft.

Irgendwie schlichtet sie, die Musik. Während sie mich noch glücklicher macht, wenn ich gut drauf bin, stärkt sie mich, wenn es mir schlecht geht. Sie renkt mich immer wieder ein. Egal was gerade los ist. So natürlich auch bei der MS. Wenn sich irgendwas verändert und komische Symptome auftauchen, kann das verwirren. Logisch. „Der Mensch, das Gewohnheitstier“. Von 0 auf 100 muss ich mich dann neu kennenlernen. Mit der Musik finde ich schnell wieder Zugang zu mir selbst. Wie so ein Wegweiser. Es fühlt sich wieder alles möglich an und ich finde zu mir zurück.

Marie: Musik ist für mich Freiheit

Musik ist mein Wegweiser.

Ich verknüpfe diese Ebene, meine musikalische Welt voller Entfaltungsfreiheit, stets mit der „Gesamtheit des Realen“. Also mit der für uns alle greifbaren Realität. Dann liebe ich das Leben. Mit Musik „mache ich mir die Welt, wie sie mir gefällt“. Mit 4 Jahren kam ich in den ersten Chor. Ich liebe es immer noch, auch mit anderen Menschen zu singen, und bin der Meinung, dass Musik verbindet. Wie ein unsichtbares Band. Die Vibration, die dann irgendwie entsteht, beim gemeinsamen Singen. Das gemeinsame Betreten dieser neuen, warmen Welt, die doch jeder anders wahrnehmen darf. Da ist es egal, wer und wie du bist, so finde ich.

Als freie Künstlerin habe ich schon mit vielen verschiedenen Menschen zusammengearbeitet. Zum Beispiel in Musikworkshops. Als Vocal- und Songwriting- Coach sowie als Projektleiterin habe ich dann mit völlig unterschiedlichen Menschen zusammengearbeitet. Menschen mit verschiedensten Hintergründen. Zum Beispiel mit blinden Menschen, Menschen mit irgendeiner „Behinderung“, allen möglichen Erdenbürger*innen, jung und alt.

Als ich dann einen Workshop mit gehörlosen Menschen geleitet habe, merkte ich einmal mehr, dass jeder Mensch Musik anders wahrnehmen kann. So haben die Teilnehmer Musik zum Beispiel als Schwingung gefühlt, eben Vibration, spürten dann zum Beispiel den Bass. So lernte ich dann auch eine gehörlose professionelle Tänzerin kennen. Musik, Singen – als universelle Sprache – kann alle Barrieren brechen.

Ich finde, Musik ist eine universelle Sprache.

Mit MS, der Krankheit der 1000 Gesichter, kann sie gute Brücken schlagen, um wieder an den eigenen Körper heranzukommen. Als ich einmal einen Schub hatte, der mein Sprachzentrum betroffen hat, konnte ich mit dem Singen wieder schneller Zugang zum Sprechen finden. Ich fing damals mit bloßen Tönen an und steigerte mich dann nach und nach zu Worten. Wie so ein Training, direkt an Bord. In mir drinnen und jederzeit abrufbar.

Mit Musik wird mir nicht langweilig. Gesang ist so vielseitig und divers. Ich kann ein und dasselbe Lied in endlos vielen Variationen singen. Ich finde, das Singen, die Musik, ist immer in Bewegung, so wie die ganze Welt. Während des Lockdowns habe ich begonnen, viele meiner Solostücke aufzunehmen, während ich zuvor jahrelang in Bandprojekten gearbeitet habe. Zwei davon habe ich schon veröffentlicht.

Musik bietet mir Freiraum und stetige Entfaltungsmöglichkeit.

Es ist ja bereits bekannt, dass Musik und Singen in verschiedensten Formen als Therapiemaßnahme eingesetzt werden, und ich kann das als leidenschaftliche und Berufsmusikerin sehr gut nachvollziehen. Ich finde, Musik wirkt auch meditativ. Manchmal singe oder spiele ich ein Instrument im Kreis, also immer wieder hintereinander dieselbe Abfolge. Genauso höre ich Songs anderer Künstler*innen intensiv und erreiche dann einen entspannten Zustand. Richtig bewusst als Therapie eingesetzt habe ich sie noch nie.

Ich finde, Musik ist eine universelle Sprache.

Musik ist einfach ein Teil meines Systems. Das geht bei mir fließend ineinander über. In jeder Lebenslage. Ich greife einfach unmittelbar direkt darauf zu. Während eines Schubes kann mir die Musik dann also automatisch helfen. Auch kognitiv kann das Singen, Klavier- oder Gitarrespielen immer nützlich sein. Es regt die zuständigen Regionen des Nervensystems unmittelbar an. Natürlich ist das Zwerchfell beim Singen in Bewegung. Wenn mein Bauch mal taub ist, rege ich durch das Singen Bewegung an. Generell kann Musik so viel bedeuten. So schreibe und produziere ich meine eigene Musik, die für jeden da sein kann, und komme dabei dann wieder mit anderen Ebenen in Berührung.

Tatsächlich habe ich damals, in der Anfangszeit mit MS, meine Texte mit einem Stift auf Zettel und in Bücher geschrieben. Ich konnte dabei meine damals sehr taube Hand trainieren, während das Texten meine Gedanken anregte. Ich bin eine Freundin der Verarbeitung. Ich denke, dass es wichtig ist, Ereignisse, das Leben zu verarbeiten, und ich verdränge nicht gerne. Das Singen, Schreiben, Melodien – Musik grundsätzlich – helfen mir dabei. Die Musik ist ein großer Teil meines persönlichen Glücks.

Musik ist für mich Glück.

Umso schöner finde ich es, damit auch Wellen für andere zu schlagen. Denn Musik ist für alle da. Sie kann geteilt und unterschiedlich verwendet werden. Ich denke, dass jeder Glück anders definiert. Ich mache es nicht von Umständen, Gesundheit oder Krankheit, Wertgegenständen, Menschen oder Vergänglichem abhängig. Ich finde das Glück in mir, die Musik leitet mich immer wieder dorthin. Jeder kann so etwas finden. Etwas, was einem Halt gibt, motiviert und bestärkt. Für jeden kann das etwas anderes sein und gewiss fühlt es sich dann total unterschiedlich an, aber: Jeder Mensch kann glücklich sein – wir müssen nur wollen. Das ist mein Motto. Die Musik lässt mich immer streben und niemals aufgeben.

Musik ist für mich Liebe.

Wenn mich alles verlässt, bleibt immer die Musik.

Musik ist für mich Glück

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