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Voll analog: Meine liebste MS-Community ist offline

Wenn man eine chronische Erkrankung hat, sucht man den Austausch mit anderen, die im selben Boot sitzen. Die sozusagen schon Erfahrung darin haben, nicht allzu sehr unterzugehen mit dieser MS. Meine ersten Schritte in diese Richtung führten mich nach der Diagnose ins Netz. Welche Organisationen gibt es? Sind irgendwo seriöse und hilfreiche Quellen? Eine erste richtig große Hilfe für mich waren unter anderem die MS-Blogger. Ich lernte „Einblick“ kennen und verschlang jeden Beitrag.

Zeitgleich aber wuchs in mir der Wunsch nach Austausch face-to-face. Denn alle anderen aus meinem damaligen Umfeld, zum Beispiel andere aus der Krabbelgruppe (mein Baby war wenige Monate alt), wollten von MS und Krankheiten nichts hören und distanzierten sich deutlich.

Also versuchte ich es mit einer offiziellen Selbsthilfegruppe sowie mit einem Treff für „junge Betroffene“. Aber nein: Das Einzige, was diese Zusammenkünfte in mir auslösten, war ein Fluchtreflex. Das ist nicht das Richtige, ich hatte das Gefühl, dort nicht reinzupassen. Dafür war ich noch viel zu „unbetroffen“, zu „nicht-behindert“, zu autark.

Gemeinsam statt einsam – mit anderen MSlern durch den Zoo

der Besuch im Zoo

Irgendwann flatterte ein Programmheft der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) ins Haus – da war ich nämlich ganz pflichtbewusst inzwischen auch Mitglied. Und in diesem Heft gab es etwas, das mich gleich ansprach: ein Tag im Zoo, im Tierpark Hagenbeck hier in Hamburg, mit der ganzen Familie. Gemeinsam mit anderen MSlern und ihren Kindern und Ehepartnern sollte es im gemächlichen Tempo zu den Tieren gehen, Snack inklusive.

Das Angebot fand ich sofort gut: Ich könnte zum einen etwas Schönes mit den Kindern machen und zum anderen in ganz lockeren Austausch mit anderen Erkrankten kommen. Anhand der Formulierung des Textes ahnte ich bereits, dass auch Teilnehmer/-innen dabei sein würden, die nicht mehr so gut zu Fuß sind wie ich.

Walross unter Wasser im Zoo

Für meine Kinder ist mir, seitdem ich MS habe, noch wichtiger, ihnen Behinderungen als Teil der Normalität zu zeigen. Denn – wie wir alle – weiß auch ich nicht, wie es mit meiner Belastbarkeit und meiner Mobilität weitergeht. So große Strecken wie vor drei Jahren schaffe ich bereits nicht mehr. Nicht ohne bewusste Pausen. Daher würde ich nie ausschließen, früher oder später eine Gehhilfe zu brauchen. Bei diesem Tag im Zoo also ergäbe sich eine prima Gelegenheit, Berührungsängste in dieser Form bei meinen Kindern weiter im Keim zu ersticken.

Eine gute Erfahrung, mitten im echten Leben

Inzwischen waren wir schon dreimal zu Gast bei dieser Veranstaltung und wir freuen uns schon auf nächstes Jahr. Denn es herrscht eine so lockere und verständnisvolle Atmosphäre, wie sie nur unter Betroffenen entstehen kann. Beim Gehen (oder Rollen) kann man sich super unterhalten, während die Kinder zusammen spielen, toben und exotische Tiere bestaunen. Zum Abschluss sponsert die DMSG noch allen ein Eis und ein Getränk.

Es sind jedes Mal zwei Sozialpädagogen der DMSG dabei, die den informellen Austausch anbieten, aber auch für Informationen zur Verfügung stehen. Insgesamt ist dieser „Tag bei Hagenbeck“ immer ein super organisiertes Highlight des Jahres. Wenn auch eine Messlatte: Jedes der drei Male dort war ich ehrlicherweise froh, dass ich noch den Kinderwagen, dann den Buggy als „Rollator“ dabeihatte – jedes Jahr etwas mehr. Nächsten Sommer werde ich den Luxus nicht mehr haben, das Kind ist einfach zu alt. Ich bin gespannt, wie ich dann den Rundweg bewältigen kann.

Aber ich kann mir ja sicher sein, dass jeder der anderen Teilnehmer sofort versteht, also wirklich versteht, dass eine Pause manchmal einfach sein muss. Das ist das Schöne an dieser Gemeinschaft aus Menschen, die genauso die MS an der Backe haben. Die aber zeitgleich ebenfalls alle Anforderungen einer Familie mit kleineren Kindern meistern – genau wie ich. Wir sitzen in ganz vieler Hinsicht im selben Boot, teilen dieselben Sorgen. Kita, Grundschule, Fußballverein, Musikkurs – und MS. In der „Zoobesuch-Gruppe“ finde ich nur Angehörige meiner Zielgruppe, Menschen, die mich verstehen und die ich verstehe.

Liebe DMSG Hamburg: Diese Veranstaltungsidee war und ist wirklich richtig, richtig großartig! ?

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