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Corona macht Pause – ein Sommer zuhause

Ginas zwei Söhne in einer Wiese

Im Sommer ist alles anders. Vor allem in diesem Sommer, nach den langen Entbehrungen der Coronazeit, freuen wir uns umso mehr über die Wärme, über das Rausgehen, über das Treffen mit anderen. Vor allem Eltern wissen, was sie geleistet haben – und fragen sich, wie das überhaupt möglich war?!

Wir haben zuhause gearbeitet und dabei Kinder betreut und beschult. Für beide Seiten war das mehr schlecht als recht und keineswegs die beste Lösung. Aber irgendwie haben wir das geschafft und jetzt kommt der Sommer als kleine Belohnung. Aber, wie jedes Jahr, wird es jedem mit MS wieder klar, was Sommer sonst noch bedeutet. Es ist heiß und Uhthoff meldet sich wieder mit aller Nachdrücklichkeit. Du willst den Sommer einfach nur genießen? Nope!

Wie wäre es stattdessen mit Müdigkeit, Abgeschlagenheit und kognitiver Schwäche? Einfach freuen über den Sommer ist leider nicht ohne weiteres möglich – auch wenn es noch so x-fach notwendig gewesen wäre. Ist es wärmer, oder schlimmstenfalls auch noch schwül, braucht der halbe (!) Arbeitstag so viel Energie, dass das Spielen und Plantschen mit den Kindern danach gar nicht mehr möglich ist. Bei unserem Urlaub zuhause, noch immer wegen der Corona-Nachwehen, höre ich die anderen Familien unbeschwert spielen, kreischen und raufen und kann es selbst nicht. Mein Kopf fühlt sich stattdessen dumpf an, dröhnend, die Augen tun weh.

Hier findest du unsere Blogger-Tipps, die helfen, wenn Uhthoff zuschlägt.

Bei aller Freude und dem gewollten und gewünschten Sommerglück: Wer Multiple Sklerose im Gepäck hat, dem ist kein ganz unbeschwertes Genießen mehr gegeben. Es ist so schade. Gerne würde ich mich einfach darauf einlassen, die sommerliche Stimmung in ganzen Zügen zu genießen. In gewisser Weise steht alles still. In den Urlaub fahren würden wir gerne, aber weil Corona nur vermeintlich vergessen werden kann, finden wir es sicherer, zuhause zu bleiben. Wir würden gerne weg, aber können es doch nicht.

Ode an die kleinen Freiheiten

Und dennoch: Die Post-Coronazeit-Erschöpfung darf zumindest ein kleines bisschen nachlassen. Denn immerhin bedeuten die Sommerferien, dass für ganze sechs Wochen das bei allen verhasste Homeschooling keine Rolle spielt. Sommerferien zuhause bedeutet zwar ein mittelmäßig gelangweiltes Kind – aber wenigstens kein maximal gestresstes, das sich durch kryptische und lückenhafte Anleitungen im Homeschooling-Online-Tool quälen muss.

Möglicherweise klagen wir hierzulande über die erzwungene Heimbeschulung auf sehr hohem Niveau. Aber dennoch: Vor allem mit Multipler Sklerose hat diese Ausnahmesituation mir und uns alles abverlangt. Arbeiten im Homeoffice, keine Kinderbetreuung plus die Arbeit als Hilfslehrer. Das ist immens über so einen langen Zeitraum und wir Eltern dürfen uns feiern und uns loben dafür.

Ginas zwei Söhne auf einem Feldweg mit Hund im Gegenlicht

Wir Eltern mit MS dürfen das umso mehr! Das haben wir uns auf ganzer Linie verdient. Schon ein paar freie Tage, ohne Arbeit, ein kleines bisschen Urlaub und nur Familie, rumhängen – vielleicht Mittagsschlaf. Umso härter eine solche Pause erkämpft wurde, desto mehr kann man sie dann genießen. Mach das! Einfach mal fünfe gerade sein lassen, abhängen, Corona-Speck hin oder her. Jetzt muss Sport nicht sein. Egal. Einfach mal alles so lassen wie es ist. Ich gebe zu, auch während ich das hier schreibe, mitten am Nachmittag, kämpfe ich gegen zufallende Augen an. Wie kann eine Erschöpfung so tief sein?

Und schon wieder ist aus einem Freude-über-den-Sommer-Text ein MS-Erschöpfungstext geworden. Schnell wird klar, wie tief die Müdigkeit sitzt und wie bestimmend sie lähmend über allem liegt. Manche Schriftsteller, deren Roman etwa in Südamerika spielt, schreiben über eine „Hitze, die schwer und lähmend über dem Land“ liegt oder ähnlich. Ich fühle, dass „alles schwer und lähmend über mir liegt“. Eine körperlich fühlbare Schwere, die am Kopf mit den Augen beginnt und sich über den ganzen Körper ausdehnt. Ja, das ist im Winter tatsächlich besser, auch wenn ich den Sommer eigentlich sehr mag und mir das gar nicht eingestehen will.

An alle unter euch, denen es auch so geht und die anderthalb Jahre Corona- Chaos in den Gliedern stecken haben: Legt euch hin, Beine hoch, betrachtet die fiese Schwere als gemütliche Decke und ruht euch aus! Erstens habt ihr es auch verdient – und zweitens müssen wir schon jetzt vorschlafen.

Wir halten Sommerschlaf, damit wir die nächste Etappe auch noch gestemmt kriegen. Lasst uns fünf Gänge zurückschalten und den Rest vom Sommer einfach schwer genießen.

Große Schildkröte aus Holz auf einem Waldwe

MAT-DE-2103608-1.0-07/2021