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Peinliche Symptome: Sprich mit Deinem Arzt

Gedankenblase, die in einen Stacheldraht verwickelt ist

In meinem heutigen Beitrag geht es um MS-Symptome und -Beschwerden, über die nicht einfach zu sprechen ist. Speziell geht es um die sehr intimen Beschwerden wie Blasen-, Darm- und sexuelle Funktionsstörungen, die auch Teil der MS-Erkrankungen sein können. Über diese Themen zu reden, fällt den meisten Menschen schwer, da sie häufig mit Scham behaftet sind.

Wenn meine Patienten trotzdem mit mir darüber reden, haben sie mir zum Beispiel erzählt, dass sie sich deshalb nicht mehr trauen, das Haus zu verlassen, oder nur noch Orte besuchen, die sie gut kennen und wo sie wissen, wo sich die Toiletten befinden. Auch hat mir ein Patient erzählt, dass er wegen der Erkrankung bzw. den möglichen Folgen in der Zukunft verlassen wurde. Mich macht das als MS-Nurse natürlich auch sehr traurig.

Doch gerade deshalb ist es umso wichtiger, diese Beschwerden ernst und möglichst frühzeitig in Angriff zu nehmen, bevor es zu Einbußen der Lebensqualität und des Wohlbefindens kommt.

Hier kommt es in erster Linie auf die gute Aufklärung des behandelnden Arztes an. Natürlich wird der Arzt nicht beim ersten Diagnosegespräch darüber reden, doch im Laufe der Behandlung sollte dies auf jeden Fall passieren.

Wenn Ihr selbst Betroffene seid, solltet Ihr das Thema auch offen ansprechen. Und keine Angst: Ihr seid mit Euren Beschwerden nicht allein und müsst Euch dafür nicht schämen. Für einen Arzt sind diese Themen nicht ungewöhnlich. Und je besser der Arzt über Euren Gesundheitszustand und Eure Beschwerden Bescheid weiß, desto besser kann er Euch helfen.

Wir in der Praxis haben beispielsweise auch ein gutes Netzwerk an Fachärzten, an die wir unsere Patienten weitervermitteln können, z. B. Neuro-Urologen oder auch Therapeuten, die spezielle Beckenboden-Übungen anbieten.

Vonseiten des Patienten ist natürlich die regelmäßige Einnahme der Medikation das A und O, um Schübe zu vermeiden und um Funktionsstörungen entgegenzuwirken.

Auch ich als MS-Nurse versuche, Patienten auf diese Themen anzusprechen. Bei einem guten Verhältnis ist hier die Hemmschwelle manchmal auch etwas geringer als beim Arzt. Vorher muss der Patient allerdings Vertrauen zu mir aufbauen und es benötigt ein gewisses Feingefühl beim Gespräch.

Mein Tipp: Ihr könnt gerne sagen, dass es Euch peinlich ist, über das Thema zu reden. Das hilft oft, die Befangenheit etwas abzubauen.

Für mich bietet sich hier oft eine gute Möglichkeit, wenn ich mich nach der Gesundheit und dem Wohlbefinden meiner Patienten erkundige und frage, ob auch abgesehen von der Multiplen Sklerose Beschwerden bestehen. Oder ich erkundige mich, ob in der Partnerschaft alles in Ordnung ist, wenn mir bekannt ist, dass der Patient einen Lebensgefährten hat.

Wenn ich das Gefühl habe, dass die Patienten positiv auf meine Fragen reagieren und bereit sind, Auskünfte zu geben, und mit mir reden wollen, ist es möglich, vorsichtig auch direkt über dieses Thema zu reden. Viele sind ganz froh, darauf angesprochen zu werden und nicht selbst fragen zu müssen oder auch nur erneut aufgeklärt zu werden.

Gute Erfahrungen sind natürlich wichtig für uns, daher versuche ich für unsere Patienten bei unterstützenden Ärzten/Therapeuten schnell Termine zu vereinbaren. Es ist ein Thema, in dem wir MS-Nurses in den letzten Jahren sehr ausführlich geschult und über Therapiemöglichkeiten aufgeklärt wurden. Trotzdem ist das Thema bei Spezialisten besser aufgehoben: Gerade beim Thema „Sexualität“ ist jeder Mensch individuell und hat andere Vorlieben.

Daher ist mein Rat meist, ein ehrliches Gespräch mit dem Partner zu führen und ganz besonders auch mit dem Frauenarzt/Urologen über diese Beschwerden zu sprechen. Diese Fachärzte haben viel Erfahrung und Hilfsmöglichkeiten. :-)

Je mehr wir auch über diese schwierigen Themen reden, desto schneller werden sie als „Tabuthema“ aus der Welt geschafft. Dies haben wir meiner Meinung nach sehr gut beim Thema Depressionen geschafft: Vielen fällt es heute einfacher, über unangenehme Gefühle und dunkle Phasen zu sprechen.

Ich hoffe sehr, dass dasselbe in Zukunft auch für jetzt noch schambehaftete Themen wie Blasen-/Darmfunktionsstörungen und sexuelle Funktionsstörungen gelten wird und Betroffenen damit besser geholfen werden kann.

Alles Gute, eure MS-Nurse Gülsüm

MAT-DE-2202581-1.0-06/2022