Konflikte gekonnt angehen – ein Streit-Guide

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Konflikte gekonnt angehen – ein Streit-Guide

Alle tun es – Erwachsene und Kinder, Frauen und Männer, zu Hause oder bei der Arbeit. Die einen tun es laut, die anderen leise, einige mit Bedacht, andere voller Leidenschaft, manche schon beim kleinsten Anlass, wieder andere fast nie. Es geht ums Streiten. Meist tun wir es mit schlechtem Gewissen, denn streiten hat keinen guten Ruf. Dabei kann es sinnvoll sein, einen Konflikt auszutragen, um ihn zu lösen. Wir haben einige Tipps zusammengestellt, die Dir helfen können, konstruktiv zu streiten.

„Hört auf zu streiten“, das hört man oft, wenn Menschen einen Konflikt austragen. Viele versuchen deshalb, Spannungen aus dem Weg zu gehen oder sie zu ignorieren. Das kann oft richtig sein, denn nicht jedes kleine Ärgernis ist gleich ein Grund, in die Luft zu gehen. Es gibt jedoch Themen, die immer wieder auftauchen und regelmäßig zu Konflikten führen. Frust und Spannungen können dann Hinweise sein, dass etwas in Deinem Leben schiefhängt. Das solltest Du ernst nehmen und Dir genauer anschauen.

„Den Kopf in den Sand zu stecken, verbessert die Aussicht nicht.“  Anaїs Nin

Meist sind es ganz bestimmte Themen, an denen sich ein Konflikt entzündet. In einer Umfrage von Statista nannten Paare Ordnung bzw. Unordentlichkeit als häufigsten Grund für einen Streit, egal ob sie gerade erst ein Jahr oder schon über 20 Jahre zusammen waren. Auch die Organisation des gemeinsamen Alltags oder Geldfragen gaben Anlass für Streitigkeiten.1 Ob in einer Beziehung oder im Beruf: Wir streiten, weil Meinungsverschiedenheiten meist unausweichlich sind, wenn Menschen regelmäßig zusammenkommen.

Für Menschen mit MS und deren Umfeld kommt hinzu, dass der Alltag oft herausfordernd ist. Das kann zu Konflikten in der Partnerschaft führen oder zu Ärger mit Freunden oder Kollegen. Damit ein Streit mit einer Lösung endet und nicht in Frust, sollte man einige Regeln beachten. 

Acht Tipps, wie Du konstruktiv streiten kannst:

1. Streite mit Respekt und Verantwortung

Das A und O beim Streiten ist, den anderen ernst zu nehmen und anzunehmen, wie er oder sie ist. Wer sein Gegenüber verändern oder gar umerziehen möchte, erntet meist erbitterte Gegenwehr. Bleibe offen und erwarte kein bestimmtes Ergebnis. Denke daran: Ein Konflikt ist keine Einbahnstraße. Deshalb ist es wichtig, „die Fehler“ nicht nur beim Gegenüber zu suchen. In einem Streitgespräch sollte man Verantwortung für das eigene Handeln übernehmen und bereit sein, dem anderen entgegenzukommen. Auf der Basis von gegenseitigem Respekt könnt ihr gemeinsam Kompromisse erarbeiten.

„Jenseits von richtig und falsch liegt ein Ort. Dort treffen wir uns.“ Rūmī

2. Bewahre Ruhe und vermeide Provokationen

Ruhig zu bleiben ist nicht gerade einfach, wenn die Emotionen hochkochen. Versuche dennoch, einen kühlen Kopf zu bewahren, denn das Ziel eines Streits ist nicht Dampf abzulassen, sondern eine gemeinsame Lösung zu finden. Okay, ein bisschen Dampf ablassen ist sicher dabei, aber Beschimpfungen, Provokationen oder geringschätzige Bemerkungen sind tabu. Sie verhindern konstruktives Streiten. Wenn’s zu turbulent wird oder ein Streitpartner ungehalten oder gar aggressiv reagiert, ist es besser, eine Auszeit auszurufen und das Streitgespräch für den Moment zu beenden. Wenn sich die Wogen geglättet haben, kann man das Gespräch wieder aufnehmen.

3. Verzichte auf Pauschalisierungen und werde konkret

„Weil Du immer ...“, „Nie kannst Du ...“ – Sätze, die so beginnen, ersticken fast jedes Gespräch im Keim. Vermeide Pauschalisierungen und werde konkret. Am besten bringst Du Dein Ärgernis anhand eines Beispiels auf den Punkt. Außerdem solltest Du bei einem Thema bleiben. Ein Streitgespräch zu führen ist nicht einfach, mache es also nicht unnötig kompliziert und versuche nicht, gleich mehrere Konflikte zu lösen. Eines nach dem anderen. Zudem gilt: Übung macht den Meister. Das gilt auch für Streitgespräche. Es kann sich also lohnen, mit weniger konfliktreichen Themen zu beginnen und sich langsam zu schwierigeren Problemen vorzuarbeiten.

4. Reden ist Silber

Oft ist es eine Erleichterung, wenn jeder erst mal sagen kann, was sie oder ihn stört. Ganz wichtig ist es jedoch, weiterzugehen und konkrete Lösungsvorschläge zu machen. Ein Streit, der nur dazu dient, sich Luft zu machen, ist nicht konstruktiv. Aber Achtung: Vage Formulierungen wie „Man könnte ja ...“ sind selten zielführend. Hier helfen Ich-Botschaften. Im Ich-Stil formulierte Aussagen sorgen für eine offenere Gesprächssituation und können heikle Situationen entschärfen. „Ich möchte ...“ oder „Ich würde gerne mit dir ...“ sind Aussagen, auf die Dein Gegenüber viel einfacher reagieren kann. Außerdem bekommst Du meist mehr Klarheit über Deine Bedürfnisse, wenn Du in Ich-Form formulierst.

5. Zuhören ist Gold

In einer Auseinandersetzung überhört man schnell die Anliegen des anderen. Die Emotionen wühlen Dich auf und plötzlich zählen nur die eigenen Argumente. So findet man aber keine Lösung, die beide Seiten zufriedenstellt. Lasse Dein Gegenüber aussprechen. Dabei ist nicht gemeint, dass Du Dir währenddessen schon die nächsten Argumente zurechtlegst. Höre wirklich aufmerksam zu. So kannst Du Dein Gegenüber meist besser verstehen und dessen Beweggründe eher nachvollziehen. Das kann helfen, eine Lösung zu finden.

„Solange man selbst redet, erfährt man nichts.“ Marie von Ebner-Eschenbach

6. Bleibe aktiv, bleibe konstruktiv

Manche Menschen reagieren auf Kritik mit Rückzug. Wenn einer der Gesprächspartner mauert und sich dem Gespräch verweigert, demonstrativ weghört oder sich eifrig einer anderen Beschäftigung zuwendet, ist keine Lösung in Sicht. Bleibe am Ball und verzichte auf Rechtfertigungen. Anstatt den Blick auf etwas anderes zu richten oder in die Vergangenheit zu blicken und zu erklären, warum Du was wie gemacht hast, ist es meist sinnvoller zu überlegen, wie man den Konflikt zukünftig angehen kann. Denke daran: In einem konstruktiven Streit geht es nicht um Schuldzuweisungen, sondern um Lösungen.

„Ziel eines Konfliktes oder einer Auseinandersetzung soll nicht der Sieg, sondern der Fortschritt sein.“ Joseph Joubert

7. Nimm Dir Zeit zu zweit

Komplexe Themen brauchen manchmal mehrere Gesprächsrunden mit Zeit zum Nachdenken und Verarbeiten. Das ist nicht ungewöhnlich. Du musst also nicht gleich beim ersten Konfliktgespräch eine dauerhafte Lösung finden. Es ist auch meist besser, nicht im Beisein Dritter zu streiten. Wenn andere sich einmischen, kann das den Konflikt verstärken. Nur wenn Ihr gemeinsam keine Lösung findet, kann eine neutrale Person mit objektiver Perspektive eine Hilfe sein.

8. Austragen oder umgehen?

Nicht jeder Konflikt muss ausgetragen werden: Anstatt Deine Kraft auf unlösbare Probleme zu verwenden, kann es manchmal sinnvoll sein, die eigenen Ansprüche zurückzustellen oder bestimmte Voraussetzungen anzunehmen und sie zu umschiffen. Wenn der Partner zwei linke Füße hat, musst Du ihn nicht zum Tango überreden, selbst wenn das Dein langgehegter Wunsch ist. Such dir lieber einen befreundeten Tanzpartner. Gib dem notorischen Zuspätkommer nicht den Schlüssel für die Anlage, in der Ihr Euch zum Sport trefft. Übernimm selbst die Rolle des Schlüsselwarts oder betraue eine pünktliche Person damit, die Türen zu öffnen. Erwarte von Deinem dauergestressten Kollegen keine Hilfe, sondern suche Dir jemand, der Kapazitäten frei hat, oder sprich mit Deinem Chef, wenn Du Unterstützung brauchst.

Viele Konflikte lassen sich umgehen, aber wenn Du einen Streit austragen willst, dann solltest du ihn positiv angehen.

Quellen:
1. Statista, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1143122/umfrage/umfrage-unter-paaren-zu-den-haeufigsten-streitgruenden-nach-beziehungsdauer/, letzter Zugriff 22.09.20

MAT-DE-2002684 v1.0 (09/2020)