Minenfeld Kommunikation: blöde Sprüche gekonnt kontern

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Wütende Frau mit offenem Mund, die sich mit beiden Händen am Kopf festhält

Beim Thema Krankheit gibt es viele Tabus. Das trifft auf chronische Erkrankungen, die das Leben der Betroffenen verändern können, umso mehr zu. Diese Tabuisierung führt manchmal zu kommunikativen Ausrutschern. Denn: Viele kommunizieren nicht mit den Erkrankten, sondern über sie. Und das oft mit wackligem Halbwissen. So kommt es leicht zu Missverständnissen, die sich als „blöde Sprüche“ äußern. Was können wir dagegen tun? In erster Linie gut auf uns selbst aufpassen, denn ärgern ist ungesund. Zudem können wir zur Aufklärung beitragen, Tabus durchbrechen und so eine Basis für bessere Kommunikation schaffen.

Was steckt hinter dummen Sprüchen?

Es gibt verschiedene Gründe, die zu verletzenden Kommentaren führen können. In diesem Artikel schauen wir uns drei Gründe für „blöde Sprüche“ näher an.

  • Ungeschickt

  • Übertriebene Sorge

  • Ungezogen

 

Einen Artikel über dumme Sprüche, die aus Unwissenheit, Unsicherheit, Ungerechtigkeitsempfinden entstehen, findest Du hier.

Ungeschickt

Einige oft gut gemeinte Äußerungen sind einfach ungeschickt. „Du siehst doch aus wie das blühende Leben“, „Mit ein bisschen mehr Sport geht’s Dir gleich besser“, „Das ist die Frühjahrsmüdigkeit, mir geht es genauso“.

Na sicher, die Fatigue ist saisonbedingt und mit Sport heilen wir MS, schon klar. Unsere Antwort: inneres und äußeres Augenverdrehen. Oft versteht unser Gegenüber allerdings nicht, warum wir auf den vermeintlich nett gemeinten Rat so abweisend reagieren.

Mein Tipp

Schau nach dem Bedürfnis, also dem Kommunikationsziel hinter der Aussage. Hier will Dich wahrscheinlich jemand aufmuntern und das ist doch erst mal nett, oder?

Es nervt trotzdem? Du fühlst Dich nicht ernst genommen? Wie wäre eine informierende Sachantwort? Auf: „Das ist nur die Frühjahrsmüdigkeit“, kannst Du antworten: „Danke, lieb, dass Du mich aufmuntern möchtest. Ich möchte Dir kurz erklären, was der Unterschied zwischen Fatigue und normaler Müdigkeit ist.“

Auf: „Mit ein bisschen mehr Sport geht’s Dir gleich besser“, kannst Du antworten: „Danke, dass Du mir einen Tipp geben möchtest, wie es mir besser gehen könnte, allerdings hilft mir Sport da nicht weiter. Wenn Du möchtest, erkläre ich Dir wieso.“ Mit diesen Antworten hast Du das Bedürfnis Deines Kommunikationspartners anerkannt und Du trägst zur Aufklärung der MS und ihrer Symptome bei.

Übertriebene Sorge

Menschen sorgen sich um ihre Lieben. Das zeichnet sie aus. Dabei legen sie ihre eigenen Erfahrungen und Einschätzungen zugrunde, oft kombiniert mit Gehörtem oder Gelesenem.

Vielleicht hast Du das auch erlebt? Du fühlst Dich eigentlich gut, aber Dir wird die Arbeit aus der Hand genommen: „Gib mir das mal lieber, das ist zu schwer für Dich.“ „Du solltest jetzt nicht mehr Spazierengehen, das war so ein anstrengender Tag für Dich.“ „Nein, nein, das erledigt die Kollegin noch schnell für Sie.“

Wie fühlst Du Dich dabei? Unterstützt oder eher entmündigt? Jedenfalls nicht mehr selbstbestimmt, vielleicht sogar ein bisschen wie ein Kind behandelt. Es ist also nicht verwunderlich, wenn Du auch wie ein Kind trotzig antworten möchtest: „Ich kann das alleine!“ Unser Gegenüber denkt dann vielleicht: „Das habe ich nun von meiner Fürsorge!“ Und beide sind vergnatzt.

Mein Tipp

Setze auf Ali. Diese Technik stoppt die Re-Aktion und verschafft Dir Zeit für eine Aktion.

Was ist der Unterschied? Bei einer Re-Aktion antwortest Du auf einen Trigger, spontan, schnell und ohne kritische Analyse durch Dein Großhirn. Du erinnerst Dich sicher auch an Antworten oder Sprüche von Dir, die Dir später unangenehm waren. Bevor wir auf einen Trigger reagieren, sollten wir unser Großhirn wieder mit an Bord nehmen. Dabei hilft es, für drei Sekunden eine Pause einzulegen, bevor du antwortest.

Und dabei hilft Ali:

Ausatmen. Im Schreck halten wir oft die Luft an und das führt zu mehr Stress.

Lächeln. Du drückst beim Lächeln auf Nervenpunkte, die dem Gehirn sagen: „Alles schön hier, schmeiß ein paar Glückshormone runter.“ Falls ein Lächeln in der Situation falsch verstanden werden könnte, reicht es auch schon, ans Lächeln zu denken.

Innehalten. Zähle bis drei und mit dem Ärger ist es meist vorbei.

Bist Du wieder Herr bzw. Herrin Deiner Sinne? Dann probiere es mit einer Teilzustimmung. Benennst Du eine gemeinsame Basis, kannst Du besser in der Kooperation bleiben: „Gib mir das mal lieber, das ist zu schwer.“ Deine Antwort mit der Teilzustimmung: 

„Stimmt, ist nicht leicht, aber nicht zu schwer für mich. "Du solltest jetzt nicht mehr Spazierengehen, das war so ein anstrengender Tag für Dich.“ Deine Antwort: „Stimmt, das war ein langer Tag und deshalb wird mir ein Spaziergang jetzt so richtig guttun.“

Ungezogen

„Schlichtweg ungezogene Kommentare gibt es natürlich auch. „Mit Dir gehe ich nicht in die Stadt. Ist mir zu peinlich mit ’nem Rollstuhlfahrer“, „Sie sind zu fett, nehmen Sie ab, dann können Sie auch wieder laufen“. Unfassbar, oder?

Hinter solchen Sprüchen steckt die Statuswippe. Das funktioniert so: Wenn Dich Dein Gegenüber klein macht, sitzt er bzw. sie automatisch oben auf der Wippe und kann auf Dich herabschauen. Eigentlich armselig und wer möchte schon mit solchen Typen wippen. Offensichtlich maßt sich hier jemand an, alles und jeden durch eigene Vorurteile bewerten zu dürfen.

Mein Tipp

Mach erst mal einen Doppel-Ali. Bei einigen Sprüchen brauchen wir mehr Pufferzeit. Überlege Dir danach gut, ob Du überhaupt eine Kommunikation mit diesem Menschen möchtest. Manchmal ist ignorieren die hohe Schule des Konterns. Dabei hilft die SDU-Formel:

Staunen – schon interessant, wie der hier auftritt

Durchwinken – denk nicht über den vermeintlichen Inhalt nach, lass den Spruch an Dir vorbeiziehen

Umdrehen, Krönchen richten und weggehen

Du möchtest nicht wortlos gehen? Dann erwidere mit einer klaren Positionierung, benenne Deinen Standpunkt. Zum Beispiel: „Auf der Basis werden wir sicher keinen gemeinsamen Weg mehr gehen.“ Und zu guter Letzt kann ich Dir noch das „Zweinigen©“ nach Vera F. Birkenbihl anbieten. Einfach erklärt: Wir sind uns einig, dass wir uns nicht einig sind.

Deine Antwort: „Es ist hier offensichtlich, dass wir nicht einer Meinung sind“, und dann geh erhobenen Kopfes. Wichtig ist, dass es Dir gut geht. Und da können wir nicht jedem Spruch erlauben, uns ins Herz zu treffen.

Ich freue mich, wenn der eine oder andere Tipp Dir als Schutzschild dienen kann.

Cäcilie Skorupinski

ZUR PERSON:
Cäcilie Skorupinski ist Diplom-Sprechwissenschaftlerin und seit 1995 in der Wirtschaftsrhetorik freiberuflich tätig – als Coach, Moderatorin und Dozentin. Außerdem ist sie Mit-Geschäftsführerin der K+S Kommunikation GbR, Berlin. Sie bietet individuelles Coaching und Seminare u.a. auch zu den Schwerpunkten:  Arzt-Patienten- Kommunikation, Kommunikation mit dementen Gesprächspartnern und Kommunikationsstrategien in der MS-Therapie.

MAT-DE-2304072-1.0-09/2023