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Wie ein Tor in eine neue Welt
Ich bin nicht nur eine Frau, die an Multiple Sklerose erkrankt ist. Sondern auch Ehefrau, Mutter, Freundin und Arbeitnehmerin. Und ich bin noch so vieles mehr. Diese ganzen Rollen mit der MS zu verbinden, ist manchmal gar nicht so einfach. Dabei hapert es an einer ganz banalen, alltäglichen Sache: der Zeit.
Ich habe schlichtweg keine Zeit, um mich in meinem Alltag intensiv mit jeder Rolle auseinanderzusetzen. Konkret bedeutet das, dass ich es zum Beispiel nicht schaffe, zu Selbsthilfegruppen zu gehen, um mich mit anderen Betroffenen auszutauschen. Oder zu speziellen Sportgruppen oder MS-Treffen. Manchmal werden auch spezielle Wochenenden für Familien mit MS-Erkrankten angeboten, aber auch hierfür bleibt in meinem Alltag einfach zu wenig Zeit. Denn in den wenigen freien Momenten, die mir bleiben, möchte ich viel lieber meine kleine Familie genießen. Dann möchte ich mit meinem Mann lachen und mit meinen beiden Töchtern singen, malen und toben. Und nicht noch Termine haben.
Daher habe ich vor drei Jahren begonnen, Mitstreiter, wie ich sie nenne, im Internet zu suchen. Damit meine ich Frauen und Männer, die wie ich an Multipler Sklerose erkrankt sind, ebenfalls Familien haben und berufstätig sind. Das sind ganz einfach Personen, die sich in der gleichen Situation wie ich befinden. Würde ich sie im sogenannten „Real Life“, in meinem Alltag, suchen, wäre das sicherlich schwieriger. Aber im Internet bin ich schnell fündig geworden: Es gibt Facebook-Gruppen, Foren, Bloggerinnen und Blogger, Menschen, die ihre Erfahrungen auf Youtube teilen und andere, die ihre Erfahrungen in 140 Zeichen bei Twitter beschreiben.
Eigentlich ist das ähnlich wie bei der Partnersuche im Internet: Dadurch, dass sich die Betroffenen im Web als MS-Erkrankte mit Familie und Beruf outen, brauche ich sie nicht lange zu suchen und kann mich direkt mit ihnen austauschen. Mithilfe dieser Gruppen, Blogs, Youtube-Videos und Twitter-Accounts habe ich viele Mitstreiter kennengelernt, mit denen ich mich heute regelmäßig austausche. Sei es zu Medikamenten, zum Kinderwunsch, zur Kindererziehung, zum Umgang mit der MS vor der Familie oder zu den unterschiedlichen Symptomen – den Themen sind dort eigentlich keine Grenzen gesetzt. Die Betroffenen kommen meist aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Für mich dabei insbesondere von Vorteil: Ich kann diese Form des Austauschs zu jeder Zeit nutzen. Ich muss nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort sein und mich beeilen, sondern kann das Internet nutzen, wann immer ich will und kann: nachmittags, wenn ich in der S-Bahn sitze und auf dem Heimweg zu den Kindern bin, abends, wenn ich die Kinder ins Bett gebracht habe und mein Ehemann noch nicht zu Hause ist, oder am Wochenende, wenn ich mal zehn Minuten frei habe, während die Kinder spielen und der Mann den Rasen mäht. Dieses „Tor in eine neue Welt“ empfinde ich als sehr hilfreich für meinen Alltag mit der Multiplen Sklerose. Ich fühle mich durch diese Möglichkeit der Kommunikation nicht mehr alleine mit meiner Krankheit und finde sehr viele neue Anregungen und Erfahrungen.
Und ganz manchmal, wenn es zeitlich passt und nicht zu viel Stress bedeutet, dann treffe ich diese Mitstreiter sogar auch im „Real Life“. Und das ist doch toll, oder?
MAT-DE-2002224 v1.0 (09/2020)
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