3 Min. Lesezeit

Klar! Wie hätte es denn jemals anders sein sollen?

Gina spielt mit ihren Kindern

Bewusst leben, selbstbewusst entscheiden – Eigenverantwortung. Nach anderthalb Jahren mit MS weiß ich: Es gab nie eine andere Option, als mit MS auch weiterhin so zu leben, wie ich will. Wahrscheinlich hat die MS diese Überzeugung einfach nur verstärkt.

Als ich die MS-Diagnose erhielt, vor anderthalb Jahren, hatte ich gerade meinen ersten Schub – eine Sehnerventzündung – hinter mir. Im Krankenhaus saß mir eine junge Ärztin gegenüber, vermutlich jünger als ich. Sie sagte:

„Bei Ihnen habe ich so ein Gefühl. So ein Gefühl, dass es bei Ihnen bei diesem einen Schub bleiben wird. Das kann ich nicht medizinisch belegen, aber mein Gefühl sagt mir das.“

Bis jetzt hat sie recht behalten – von mir aus darf das auch für immer so bleiben. Vielleicht hat viel im Umgang mit einer solchen unheilbaren Krankheit aber auch mit einer gewissen Grundhaltung zu tun.

Eine Grundhaltung

Für mich ganz persönlich erlebe ich, dass es sinnvoll ist, sein Leben nicht von der MS bestimmen zu lassen. Es wäre in meinem Fall ganz bestimmt vernünftig gewesen, sofort nach der Diagnose nach einer Festanstellung Ausschau zu halten – mit bezahltem Urlaub und vor allem mit Krankengeld. Denn es muss einem mit so einer Erkrankung ja per se ganz schlecht gehen.

Kann sein.

Allerdings gilt diese Denkweise für mich nicht. Es gab eine Zeit, in der ich mich aus wichtigen Gründen ganz bewusst entschieden hatte, freiberuflich zu arbeiten. Und diese Gründe gelten für mich nach wie vor – umso mehr mit zwei kleinen Kindern, für die ich flexibel da sein muss.

Arbeitszeiten selbst steuern

In unserer Familie schließt es sich nicht aus, dass ich viel Zeit mit meinen Kleinen und auch mit meinem Hund verbringe und zugleich unsere Hauptverdienerin bin. Meine Arbeitszeiten steuere ich selbst und kann deshalb ungemein effizient sein. Wenn ich an meine Zeit als Angestellte zurückdenke, bin ich mir rückblickend absolut sicher, dass ich jeden Tag zwei Stunden früher hätte gehen können. Ein Schnack mit der Kollegin hier, ein endloses Meeting da – das hätte nicht sein müssen und machte die Tage unendlich und unnötig lang.

Jetzt, als MS-Patientin, würde ich es gar nicht mehr durchstehen, jeden Tag acht Stunden in einem Büro anwesend zu sein. Denn diese Krankheit fordert an manchen Tagen einfach ihren Tribut. Dann kann ich eben nur eine oder anderthalb Stunden am Stück arbeiten und brauche dann eine Stunde Pause. Ich habe gelernt, auf meinen Körper zu hören, denn würde ich MS-müde und MS-unkonzentriert weiterarbeiten, entspräche das Ergebnis weder meinem Qualitätsanspruch noch dem meiner Kunden, die letztlich die Rechnung zahlen sollen.

Also heißt es jetzt: Weniger ist mehr. Das ist nicht immer so, an manchen Tagen geht es „wie früher“ und ich kann stundenlang durcharbeiten – mit überzeugenden Resultaten. Doch so oft ist das leider nicht mehr der Fall. Ich freue mich aber umso mehr, wenn es geht und nutze diese produktiven Phasen, so gut es geht: Vorsorgen für die schlechten Tage und so.

„Eine chronische Krankheit ist wie ein weiteres Kind“

Den Spruch habe ich einmal gehört, bevor ich krank war. Mit der MS-Diagnose fiel er mir wieder ein und ich muss ihn zum Teil bestätigen. Die MS hat Termine, muss betreut und versorgt werden (Medikamente) und ist manchmal einfach bockig. Dann baue ich alles um diese Ansprüche und Launen herum – wie bei meinen Söhnen im Kindergartenalter. Organisation ist alles.

Selbstbestimmtheit ist das Schlüsselwort. Meine MS zeigt sich zum Beispiel so, dass meine Arme sich völlig kraftlos anfühlen, so als könnte ich auf keinen Fall meinen Zweijährigen heben. Weil er aber nicht allein auf den Wickeltisch klettern kann, sage ich mir mit voller Kraft der Autosuggestion: Diese Arme sind vollkommen in Ordnung und definitiv stark genug. Die Nerven machen einen Fehler, die Info ist falsch.

Und dann hebe ich mein Kind.

Natürlich mit achtsamen Bewegungen – aber es geht immer viel mehr, als ich meinem fehlgeleiteten Körper noch zugetraut hätte.

Mein Reaktionsvermögen ist dahin? Nix da! Ich kann noch immer meinen Sechsjährigen beim Tischkicker schlagen. Ich hätte keine Kraft? Siehe oben: Es ist nicht wahr. Regelmäßig quietscht mein Großer vor Freude, wenn ich ihn an einem Arm und einem Bein fasse und in der Luft kreisen lasse!

Gina mit ihren Kindern

Deshalb gilt für mich: blöde Krankheit – ja. Dumm gelaufen – definitiv.

Aber mir einen Lebensentwurf aufdrängen lassen, der nicht meiner ist? Auf keinen Fall! So lange die junge Ärztin recht behält, gestalte ich mein Leben selbst. Denn das ist meine Verantwortung.

GZDE.MS.18.06.0494