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Unser Interview mit einer Hebamme über Schwangerschaft und MS

Die MS hat 1000 Gesichter und ist bei keinem Betroffenen gleich. Das gilt natürlich auch für eine Schwangerschaft – mit und ohne chronische Erkrankung.
Für das Monatsthema „Familienplanung“ haben wir uns mit der Hebamme Andrea Cassebaum zusammengesetzt, um im Interview von ihr einen Einblick in ihre Erfahrungen zum Thema „Schwangerschaft und MS“ und alles drum herum zu bekommen. Sie lebt und arbeitet in Berlin und ist seit über 20 Jahren in ihrem Beruf tätig.
Was wäre der erste Satz, den Sie einer schwangeren Frau mit MS sagen würden?
Ich würde ihr zunächst einmal zur Schwangerschaft gratulieren! In erster Linie begegnet mir eine Frau als werdende Mutter und nicht als MS-Patientin. Vor mir steht eine Frau, die sich bewusst für ein Kind entschieden hat und eine Familie gründen möchte.
Wo sehen Sie als Hebamme Ihre Hauptaufgabe?
Die Bedürfnisse von schwangeren Frauen sind unterschiedlich. Das ist bei Frauen mit MS genauso wie bei Frauen ohne MS. Wir Hebammen können hier ganz unterschiedliche Wünsche abdecken. Es ist möglich, dass wir in die Vorsorge einbezogen werden und bei Schwangerschaftsbeschwerden begleiten. Die Krankenkassen bieten uns hierfür ein breites Spektrum an Möglichkeiten.
Ich denke, als Hebamme ist es wichtig, eine Vertrauensbasis zu schaffen. Meine Aufgabe besteht natürlich darin, die Gesundheit der Frau und des Kindes zu schützen und zu erhalten. Darüber hinaus möchte ich aber vor allem die Frau dabei unterstützen, ihre Eigenkompetenz zu stärken. Wenn ich die Frage stelle: „Wie geht es dir?“, erhalte ich oft die Antwort: „Mein Arzt sagt: gut.“ Frauen sollten mehr Selbstvertrauen in sich und in ihren eigenen Körper entwickeln.
Zudem wird die Zeit nach der Geburt meist unterschätzt. Ihr Ziel ist die Geburt. Die anstrengendere Zeit beginnt jedoch erst im Anschluss. Ich versuche, dafür ein Bewusstsein zu schaffen und Anregungen zur Selbstorganisation bezogen auf die Zeit „danach“ zu geben.
Gewöhnlich steht bei einer Schwangerschaft die Gesundheit des Babys von Beginn an für die werdende Mutter im Mittelpunkt. Würden Sie sagen, dass das bei Frauen mit einer chronischen Erkrankung wie MS anders ist?
Die Frauen machen sich schon mehr Gedanken, ob etwa eine Schwangerschaft einen Schub auslösen könnte oder wie die Zeit danach ist. Aber sie gehen sehenden Auges damit um.
Und sie empfinden die Schwangerschaft oft als sehr beglückend, weil ihr Körper so etwas kann. Im alltäglichen Leben wird der Körper oft als fehlerhaft wahrgenommen. Und unter der Perspektive, dass der Körper so sensationell funktioniert, sieht ja sonst selten jemand den Körper eines chronisch Kranken. Schwangerschaft ist Natur pur. Ihr Körper zeigt ihnen, was in ihm steckt und das ist eine wunderbare Erfahrung im Leben einer Frau mit MS.
Welche Ratschläge haben Sie für schwangere Frauen oder junge Mütter, um den zuweilen herausfordernden Alltag mit den Bedürfnissen von Kind und Familie besser zu meistern, insbesondere bei einer chronischen Erkrankung?
Schwangeren Frauen stehen viele hilfreiche Angebote zur Verfügung, Stichwort: Haushaltshilfe. Jedoch ist es wichtig, sich frühzeitig darum zu kümmern. Man darf wie bereits erwähnt auch nicht die Zeit nach der Geburt aus den Augen verlieren.
Schwangere machen sich oft nicht klar, wie anstrengend ein Neugeborenes sein wird, wenn sie 24 Stunden am Tag dafür zuständig sind. Dass sie unter Schlaflosigkeit leiden, die noch zu der ohnehin vorhandenen Müdigkeit durch die chronische Krankheit dazukommt.
Ich möchte schon den Frauen eine Vorstellung davon geben, wie es sein wird, wenn sie richtig für dieses Kind zuständig sind, zum Beispiel bei einer Stillvorbereitung. Wie können sie sich und ihr Umfeld gut organisieren? Wo liegen die Ressourcen, an die bisher vielleicht nicht gedacht wurde? Die Planung sollte weit über die Zeit nach der Geburt hinausgehen.
Sie sind mittlerweile seit zwei Jahrzehnten als Hebamme tätig. Was ist Ihr Fazit? Gibt es ein Geheimrezept für eine Schwangerschaft „unter besonderen Umständen“?
Nehmen Sie Ihre Schwangerschaft als eine bewusste Phase und positive Erfahrung wahr und fokussieren Sie sich nicht nur auf medizinische Werte. Vertrauen Sie auf sich selbst und Ihre persönliche Stärke. Sie sind schwanger geworden. Und das bedeutet: Ihr Körper schafft das! Ihr persönliches Umfeld, Ärzte und wir Hebammen unterstützen Sie dabei.
GZDE.MS.18.01.0008
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