3 Min. Lesezeit

Echt jetzt? MS? Reaktionen von Mitmenschen

Stopschild

Diese beiden Worte höre ich oft, wenn ich manchen Menschen sage, dass ich MS habe! Die Fragen und meine Reaktionen darauf sind eigentlich fast immer dieselben.

So oder so ähnlich läuft so ein Gespräch ab:

Ich: "Ich habe Multiple Sklerose."

Gesprächspartner: "Echt jetzt? Seit wann?"

Ich: "Keine Ahnung, die Diagnose habe ich im Mai 2011 bekommen."

Gesprächspartner: "Da spielen die Muskeln nicht mit, nicht? Ist doch Muskelschwund oder so ähnlich ..."

Ich: "Nee, MS ist eine chronische Erkrankung des Nervensystems! Alles kann passieren, nichts muss."

Gesprächspartner: "Aha ... aber ... ähm ... Rollstuhl?"

Ich: "Brauche ich nicht. Jedenfalls noch nicht! Bei mir spielt sich die MS meist im Kognitiven ab."

Gesprächspartner: "Was᾽n das?"

Ich: "Ich vergesse viel, ich habe Fatigue, heißt, dass ich oft sehr müde bin, mir fallen Worte nicht ein, ich kann mich schlecht konzentrieren usw."

Gesprächspartner: "Ach, dann ist das ja nicht so schlimm! Das, was du da beschreibst, habe ich auch oft (Gelächter), ich muss aber trotzdem arbeiten gehen. Kann mich nicht wie du einfach hinlegen und nichts tun. Da haste ja echt Glück! Eine Bekannte von dem Schwager einer Freundin hat auch MS, das ist schlimm! Die hat das echte MS, weißte. Kann nicht laufen und so. Echt furchtbar! Ich glaube, die lebt auch nicht mehr so lange. Da brauchst du dich echt nicht zu beschweren!"

Ich: "Na, da habe ich aber Glück gehabt ...! Ich höre jetzt auf, mich zu beschweren, und leg mich noch ein bisschen hin" ...Gespräch beendet und zwar von mir!

Mal ehrlich, das nervt doch, oder? Diese ständigen Rechtfertigungen und manchmal habe ich fast ein schlechtes Gewissen, dass ich nicht die „echte MS“ habe ... Trotzdem habe ich mich daran gewöhnt und bin den Leuten nicht böse. Man setzt sich doch erst mit solchen Krankheiten auseinander, wenn man selbst oder ein geliebter Mensch daran erkrankt. Ich wusste auch nicht viel über MS, als ich meine Diagnose bekam, und war mir sicher, demnächst einfach tot umzufallen!

Ich bin aber immer noch da und habe auch nicht vor, abzutreten, jedenfalls jetzt noch nicht, jedenfalls wird die Multiple Sklerose mich nicht umbringen. Das ist doch schon mal eine gute Nachricht unter den vielen schlechten, die man im Laufe seiner MS-Karriere bekommen kann!

Es gibt so viele falsche Vorstellungen über diese Krankheit. Wir haben mit Vorurteilen zu kämpfen, werden dann und wann als Hypochonder abgestempelt und das trägt, meiner Meinung nach, mit dazu bei, dass man sich immer mehr zurückzieht, einigelt und, wenn es ganz dumm läuft, vielleicht sogar eine Depression entwickelt.

Ich wehre mich dagegen! Ich kann auch mal, wenn das ewige „Du siehst aber so gut aus!“ kommt, schnippisch werden, wenn ich es zum hundertsten Mal höre! Meine Antwort darauf ist: „Du hast ja keine Ahnung! Vor meiner Diagnose war ich Model!“ und zack, habe ich meine Ruhe! Müsst ihr mal ausprobieren! Die Blicke sind unbezahlbar!

	Laufsteg

Spaß beiseite – mein Wunsch ist, dass mehr über MS aufgeklärt wird. Dass die Öffentlichkeit vielleicht irgendwann mal genau so viel über MS weiß wie über einen Heuschnupfen! Dass wir nicht ansteckend sind, dass wir die Krankheit nicht vererben, dass wir nicht einfach faul sind, dass wir nicht zwangsläufig im Rollstuhl landen, dass wir nicht einfach nur mal müde sind, dass wir, wenn wir denn tatsächlich im Rollstuhl sitzen, nicht gleichzeitig taub sind (die Leute sprechen plötzlich lauter und deutlicher mit uns), dass, dass, dass ...

Hey, ihr MSler da draußen, ihr Angehörigen! Ihr könnt mithelfen, aufzuklären! Keiner muss mit seiner Krankheit hausieren gehen, echt nicht, aber wenn die Sprache darauf kommt, sagt, wie eure ganz persönliche MS echt ist! Sagt, dass wir nicht alle die gleichen Symptome haben, sagt, dass die Krankheit tausend Gesichter hat und sagt doch einfach, dass wir einfach „ECHT! MS“ haben!

GZDE.MS.18.06.0428